Westfleisch im Visier der Justiz

Vorwürfe gegen Schlachthof: Illegale Beschäftigung, Steuerhinterziehung

  • Annette Hauschild, Münster
  • Lesedauer: 3 Min.
Die kriminelle Energie in Teilen der Fleischbranche beschert nicht nur Verbrauchern vergammeltes Fleisch, sondern beutet auch die dort Beschäftigten aus.
Lange Zeit blieb die Westfleisch eG, der größte Schlachthofbetreiber in Nordrhein-Westfalen, von den bundesweiten Ermittlungen wegen Schwarzarbeit und Lohndumping unbehelligt. Doch jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft Bielefeld gegen elf Westfleisch-Manager wegen des Verdachts auf illegale Arbeitnehmerüberlassung, Verstößen gegen das Arbeitszeitgesetz und Steuerhinterziehung. Die Münsteraner Westfleisch unterstützt jetzt zwar laut Staatsanwaltschaft die Ermittlungen. Doch in den Betrieben herrschen Unruhe und Unzufriedenheit. Schließlich sind von den rund 3500 Mitarbeitern nur noch einige hundert bei ihrem Arbeitgeber wirklich angestellt. Die meisten Beschäftigten arbeiten zwar in den Gebäuden, aber für Sub- oder auch Sub-Sub-Unternehmer. Die Westfleisch-Oberen profitierten von der planmäßigen Ausbeutung der outgesourcten Belegschaft. Für etwaige Gesetzesverstöße aber waren bislang stets die Subunternehmer oder deren Sub-Sub-Unternehmen verantwortlich. Vor wenigen Wochen gab es eine Razzia bei einem der langjährigen Subunternehmer. Etwa 200 Steuerfahnder, Zollbeamte und Staatsanwälte hatten den türkischen Arbeitskräftevermittler Erol Deli, dessen deutsche Lebensgefährtin und weitere Mitarbeiter wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung, Betrug und Verstoß gegen das Ausländergesetz sowie auf Bildung einer kriminellen Vereinigung festgenommen. Sie sollen in den Schlachthöfen von Westfleisch deutsche Arbeitskräfte schwarz entlohnt und für rumänische Arbeiter Aufenthaltserlaubnisse erschlichen haben. Die Beschuldigten sind mittlerweile gegen Kaution frei. Aber nun ermittelt die Staatsanwaltschaft im Zuge dieses Ermittlungsverfahrens auch gegen neun leitende Angestellte von Westfleisch, den kaufmännischen und den geschäftsführenden Leiter. Wussten die Westfleisch-Manager von den Vorgängen bei ihren Subunternehmern? Waren die Angestellten des Subunternehmens in die Betriebsabläufe bei Westfleisch integriert, wie die Staatsanwaltschaft meint? Dann müssten sie arbeitsrechtlich als Westfleisch-Mitarbeiter behandelt werden. Der Konzern müsste also auch Sozialversicherungsbeiträge für sie abführen, obwohl er gerade diese Kosten durch Werkverträge drücken wollte. Dies ist nicht das erste Ermittlungsverfahren, in dem Werkvertragsfirmen die Hauptlast tragen. Schon im August 2005 berichtete die »Linkszeitung« im Internet von einigen Fällen. Westfleisch profitiert von den krummen Machenschaften, die auch mitten in ihren Betrieben geschehen. Aber juristisch ist schwer an sie heranzukommen. Dafür sorgt das Vertragsverhältnis in dem Sub-Sub-Subunternehmersystem. Bei Westfleisch mit Sitz in Münster arbeiten nach Auskunft von Betriebsräten bundesweit rund 3500 Mitarbeiter. Direkt angestellt sind nur noch rund 1000 Angestellte. Von ihnen arbeiten 359 im kaufmännischen Bereich und lediglich 464 in der Produktion. Hinzu kommen 63 kaufmännische und 21 gewerbliche Auszubildende. Der Rest sind Leute, die von Subunternehmern auf Werkvertragsbasis angeheuert wurden, einige Deutsche, meist aber Billiglöhner aus Mittel- und Osteuropa. Obwohl seit zwei Wochen öffentlich bekannt ist, dass Ermittlungen gegen die Firmenleitung laufen, ist der Betriebsrat nicht von der Firma informiert worden. Das Verhältnis zwischen Arbeitnehmervertretern und Arbeitgeber ist zur Zeit gespannt, weil der Betriebsrat - eine Premiere in der Fleischbranche - gegen Outsourcing vor dem Bundesarbeitsgericht Klage eingereicht hat. Anfang Dezember wird das Schiedsverfahren stattfinden.

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