Kratzer am Heiligenschein des Antidopingkämpfers

Im Doping-Betrugsprozess gegen Radprofi Stefan Schumacher wird heute mit Spannung die Aussage von Ex-Teamchef Hans-Micael Holczer erwartet

  • Andreas Zellmer, dpa
  • Lesedauer: 2 Min.
Ex-Teamchef Hans-Michael Holczer tritt im Betrugsprozess gegen Radprofi Schumacher vor der 16. Großen Strafkammer in Stuttgart als Zeuge auf. An seiner Version, von den Dopingpraktiken im Team nichts gewusst zu haben, hegen die Anwälte Zweifel. Ein Hauch von Showdown liegt in der Luft.

Schon am zweiten von acht Verhandlungstagen im Landgericht Stuttgart kommt es womöglich zum Schlagabtausch. Ex-Teamchef Hans-Michael Holczer tritt heute im Betrugsprozess gegen Radprofi Stefan Schumacher in den Zeugenstand. Der 59-Jährige will plausibel machen, dass er von den Dopingpraktiken im Team Gerolsteiner nichts gewusst habe. Er muss sich auf erheblichen Gegenwind gefasst machen.

Schumacher widersprach bereits am ersten Verhandlungstag am 10. April den Beteuerungen Holczers: »Er hat sich als Antidoping-Kämpfer präsentiert, ohne selber was gegen Doping zu tun. Er hat überhaupt keine Kontrolle gehabt und auch keine Ambitionen, das Thema im Team zu unterbinden«. Den in der Öffentlichkeit wahrgenommenen Aktivisten Holczer gab es nach Schumachers Meinung überhaupt nicht.

Dem Radprofi, der vergangenen Sonntag bei einem Sturz in Dänemark Schnittwunden und eine Gehirnerschütterung erlitt, wird vorgeworfen, seinen ehemaligen Teamchef um drei Monatsgehälter in Höhe von 151 463,50 Euro betrogen zu haben. Schumacher habe Doping bei der Tour de France 2008 trotz Nachfrage geleugnet und das Geld daher unrechtmäßig erhalten. Im Nachhinein war er wie bei den Olympischen Spielen in Peking positiv auf das Blutdopingpräparat CERA getestet worden. Bis August 2010 war er deswegen gesperrt.

Schumacher unterstellt seinem ehemaligen Chef nun Mitwisserschaft. »Es war offensichtlich, dass ich gelogen hatte. Es war ihm klar, das war mir klar«, sagte er über das entscheidende Gespräch während der Frankreich-Rundfahrt. Das Wissen um die illegalen Vorgänge hatte Holczer vehement abgestritten.

In seinem Buch »Garantiert Positiv« beschreibt Holczer allerdings die Gratwanderung. Ein Profiteam sei »ein Unternehmen, das um die 80 Prozent seines Budgets in die körperliche Leistungsfähigkeit seiner Mitarbeiter« investiere. »Die Gewährleistung einer ärztlichen Betreuung halte ich hier für unabdingbar. Freilich ist der Übergang von einer optimalen ärztlichen Betreuung zu den ersten Schritten in die Manipulation schmal, wenn nicht sogar fließend«, heißt es auf Seite 145.

Namen der angeblich aktiv am Doping beteiligten Teamärzte wollte Schumacher nicht nennen - trotz hartnäckiger Nachfragen von Richter und Staatsanwalt. Schumachers Anwalt Michael Lehner mahnte zur Geduld: »Es gibt ja noch Zeugen. Ich denke, bis zur Urteilsverkündung werden wir Namen wissen«. Am Donnerstag wird er zunächst versuchen, an Holczers »Heiligenschein« (Lehner) zu kratzen. Als weitere Zeugen sollen der ebenfalls geständige Ex-Profi Bernhard Kohl und der Arzt Mark Schmidt aussagen.

Sponsor Gerolsteiner verfolgt den Prozess mit Interesse. Zu möglichen Regressforderungen wollte sich die Sprecherin der Firma jedoch nicht äußern. Bis zum Ende ihres Engagements 2008 wurden jährlich etwa neun Millionen Euro ins Team investiert.

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