»Wir machen große Fortschritte«

Nicaraguas Außenminister Samuel Santos über die Ortega-Regierung und die Kooperation mit Deutschland

  • Lesedauer: 4 Min.
Samuel Santos ist Außenminister Nicaraguas und führendes Mitglied der regierenden Sandinistischen Nationalen Befreiungsfront (FSLN). Die FSLN regierte nach der Sandinistischen Revolution 1979 bis zur Wahlniederlage 1990. Seit dem Wahlsieg Daniel Ortegas 2006 ist sie wieder an der Macht, Ortega wurde 2011 vom Volk in seinem Amt bestätigt. Mit Santos, der dieser Tage in Berlin weilte, sprach für »nd« Harald Neuber.

nd: Herr Außenminister, die deutsche Bundesregierung hat Anfang 2012 die Entwicklungsgelder für Nicaragua um die Hälfte gekürzt - wegen schwerer Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit, wie es hieß. Im vergangenen Dezember wurde die Kooperation über die Regionalorganisation SICA wieder aufgenommen. Sind die Probleme damit gelöst?
Santos: Es stimmt, dass Deutschland damals diese Entscheidung getroffen hat. Uns gegenüber wurde das damit erklärt, dass die Zusammenarbeit weltweit gemäß eigener Interessen neu geordnet werden soll. Ich denke, es ist in diesem Zusammenhang wichtig zu erwähnen, dass Präsident Daniel Ortega Saavedra in Lateinamerika in Sachen Akzeptanz laut einer Gallup-Umfrage den sechsten Platz einnimmt. Seine Zustimmungswerte belaufen sich auf mehr als 65 Prozent.

Trotz der Aussetzung eines Teils der Entwicklungshilfe hat die deutsche Regierung stets weiter mit Strukturen der Zivilgesellschaft in Ihrem Land gearbeitet. Wie steht die nicaraguanische Regierung dazu?
Sehen Sie, wir haben kein größeres Problem damit. Wir betonen aber stets, dass es uns gelungen ist, in den vergangenen Jahren der revolutionären Regierung von Präsident Ortega große Fortschritte zu machen: bei den Pro᠆blemen der Ernährung, der Bildung, der Gesundheit und bei den Problemen der inneren Demokratie. Diese Fortschritte wurden von verschiedenen nationalen und internationalen Organisationen anerkannt.

Während Ihres Besuchs in Deutschland trafen Sie auch mit Ihrem Amtskollegen Guido Westerwelle zusammen. Was sind die aktuellen Themen im bilateralen Dialog zwischen Nicaragua und Deutschland?
Es sind natürlich Gespräche, in denen es auf beiden Seiten eigene Interessen gibt. Aber es gibt auch Gemeinsamkeiten wie etwa die Absicht Nicaraguas, sich für ausländische Investitionen zu öffnen. Nicaragua ist inzwischen eines der sichersten Länder des amerikanischen Kontinents. Auch deswegen sind die Investitionen stetig gewachsen. Im Jahr 2006 lagen sie bei 286 Millionen Dollar, im vergangenen Jahr bei 1,1 Milliarden Dollar. Sie haben sich also fast vervierfacht.

Nun gibt es in Lateinamerika zahlreiche soziale Bewegungen, die das Freihandelskonzept der Europäischen Union kritisieren. Wie steht die nicaraguanische Regierung dazu?
Wir haben ein Assoziationsabkommen mit der EU unterzeichnet. Nicaragua war das erste Land, das diesem Vertrag zugestimmt hat. Es gab darüber einen jahrelangen Prozess der Diskussion um die Inhalte, aber am Ende haben wir unterzeichnet, und das Parlament hat zugestimmt. Wir glauben, dass das ein guter Schritt war, denn Nicaragua betreibt mit verschiedenen Regionen und Ländern freien Handel. Mit Chile etwa, den USA oder Taiwan. Nun kommt also auch die EU dazu.

Sprechen Sie mit Guido Westerwelle auch über die Demokratie in Honduras, wo die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung den Putsch 2009 offen unterstützt hat?
Nun, das war die eigene Entscheidung der Stiftung, die sich damals dazu entschlossen hat, diesen Putsch zu unterstützen. Nicaragua setzt sich aber dafür ein, dass in ganz Zentralamerika Frieden herrscht und dass der Drogenhandel und das organisierte Verbrechen bekämpft werden.

In Ihrem Land gibt es auch kritische Stimmen gegen die Regierung von Daniel Ortega. Gibt es einen Dialog mit diesen Gruppen und Parteien?
Dieser Dialog ist nie abgebrochen worden. Aber diese Kontakte müssen geordnet verlaufen, damit sie in Resultate münden. Deswegen wird dieser Dialog in der Nationalversammlung geführt, wo rund ein halbes Dutzend Parteien präsent ist, entweder alleine oder in Bündnissen. Dort findet der Austausch zwischen den politischen Parteien statt, in geordneter Weise und vor allem fortlaufend.

Zugleich gibt es in Lateinamerika einen Prozess der regionalen Integration mit Bündnissen wie ALBA, MERCOSUR und CELAC. Hat das zur wirtschaftlichen Entwicklung Nicaraguas beigetragen?
Wir haben verstanden, dass wir vereint weiter kommen und uns besser unterstützen können. Wir haben zum Beispiel das SICA als Bündnis der zentralamerikanischen Staaten. Aber es gibt auch das ALBA-Bündnis. Dessen Politik hat in jedem Mitgliedsstaat herausragende Ergebnisse vorzuweisen.

Hugo Chávez war so etwas wie der Motor für diesen Prozess, vor allem für ALBA, mit dem solidarischer Handel und Zusammenarbeit praktiziert wird. Welche Auswirkungen hat der Tod des Präsidenten Venezuelas im März auf die Integration Lateinamerikas?
Vorweg eines: Der Tod unseres geliebten Bruders, des Präsidenten und Kommandanten Hugo Chávez ist ein schwerer Schlag, weil er ein Vorkämpfer der Einheit Lateinamerikas war. Er war auch ein Vorkämpfer für den sozialen Wandel, der in jedem unserer Länder stattfinden muss. Das beste Beispiel dafür ist Venezuela selbst, wo er den Lebensstandard der Menschen erheblich verbessert hat.

Natürlich ist sein Tod sehr schmerzhaft für uns, aber er motiviert uns auch. Sein Beispiel hält uns dazu an, all das, woran er geglaubt hat, zu erhalten und zu entwickeln. Weiter und stärker, als er es sich vorgestellt hat.

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