Verwirrende Fronten im Besoldungsstreit

Nord-CDU spielt Anwalt der Beschäftigten

  • Dieter Hanisch, Kiel
  • Lesedauer: 3 Min.
Auch in Schleswig-Holstein gibt es derzeit Streit um die Erhöhung der Beamtenbesoldung. Dort ist die Konstellation jedoch durchaus ungewöhnlich, denn die Oppositionsparteien CDU und FDP schwingen sich zu Sprachrohren der Beschäftigten auf.

Nach einem Jahr Regierungszeit steht die Koalition in Kiel vor einer ernsten Bewährungsprobe. Das Dreierbündnis von SPD, Grünen und dem Südschleswigschen Wählerverband (SSW) muss in knapp drei Wochen über die Beamtenbesoldung entscheiden und hat sich bei diesem Thema massiv mit den Gewerkschaften angelegt. Das Wort Gerechtigkeit, das die Küsten-Ampel so gern benutzt, wird dabei arg strapaziert - ein gefundenes Fressen auch für die Opposition. Eigentlich verkehrte Welt, denn plötzlich schwingen sich CDU und FDP zu Sprachrohren der Beschäftigten auf.

Nur Bayern und Hamburg

Nach dem Willen der Landesregierung wird es keine 1:1-Übernahme des Tarifabschlusses der Angestellten mit entsprechend 5,6-prozentiger Anhebung der Beamtenbezüge in zwei Jahresschritten geben. Diese ist bisher nur in Bayern zugesagt worden - dort sind im Herbst Landtagswahlen - sowie in Hamburg. Gerade vor dem hanseatischen Weg warnt Schleswig-Holsteins grüne Finanzministerin Monika Heinold. Sie prophezeit, als Kompensation der Zusage werde es in der SPD-regierten Elbestadt einen massiven Personalabbau geben.

Der schleswig-holsteinische Weg, für den die Einhaltung der Schuldenbremse als Begründung herhalten soll, beinhaltet eine Sozialstaffel bei den Anhebungen der Bezüge. Das bedeutet allerdings auch Einbußen bei den höheren Besoldungsgruppen, bei denen eine Gehaltssteigerung unterhalb der Inflationsrate liegen soll.

Ein Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes im Kieler Landtag kommt zu dem Schluss, dass die Beamtenvergütung nicht von der allgemeinen Wirtschafts- und Einkommensentwicklung abgekoppelt werden dürfe - eine Steilvorlage für die Gewerkschaften und Berufsverbände. Von dort wird auch bereits mit Verfassungsklagen für den Fall gedroht, dass die Heinold-Pläne im nächsten Monat eine Landtagsmehrheit finden. Lediglich bei den Zulagen und in der Urlaubsfrage ist die Ministerin zu Zugeständnissen bereit.

In den nächsten Wochen wird der Entwurf für das Beamtenbesoldungsgesetz der Landesregierung noch einmal im Anhörungsverfahren mit Gewerkschaften und in Ausschussberatungen auf den Prüfstand gestellt. Ralf Stegner, Landeschef und Fraktionsvorsitzender der SPD, macht den Betroffenen dabei Hoffnung, dass es bis zur Verabschiedung in der zweiten Lesung des Landtages noch »substanzielle Veränderungen« geben werde. Erste Veränderungen haben die Proteste bereits bewirkt. Ursprünglich plante die Landesregierung eine fünfjährige Laufzeit ihres Besoldungsmodells, jetzt sollen es zwei Jahre sein.

Die Gewerkschaften beklagen die mangelnde Wertschätzung der Beamten. Sie weisen darauf hin, dass Staatsbedienstete zunehmend nach Hamburg oder Niedersachsen abwandern könnten, weil dort die Vergütung an den Schulen und in der Verwaltung besser sei.

Wirbel um den Präsidenten

Die Debatte hatte zuletzt noch einen besonderen Beigeschmack bekommen, weil ab 1. Juli bei den Landtagsabgeordneten eine Diätenerhöhung von 3,5 Prozent ansteht. Nur die Piratenfraktion wollte darauf verzichten. Landtagspräsident Klaus Schlie von der CDU schlug sich daraufhin öffentlich auf die Seite der Beamten und deren Forderung nach einer Übernahme der Angestelltenvereinbarung im öffentlichen Dienst. Das wiederum brachte ihm einen Rüffel der Regierungsfraktionen ein, die seine mit dem Amt verbundene Neutralitätswahrung verletzt sahen. Die CDU verteidigte ihren Parteikollegen damit, dass er lediglich die Empfindungen in der Bevölkerung wiedergegeben habe.

In der Landtagsdebatte zu dem Thema ließ Schlie die Sitzungsleitung dann ruhen. Und er übertrug diese seinem Stellvertreter von der SPD, Bernd Heinemann.

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