»Wir brauchen bezahlbaren Wohnraum«

SPD-Schattenminister Klaus Wiesehügel fordert Umkehr in der Städte- und Wohnungsbaupolitik

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Mieten steigen, und Wohnraum wird knapp. Dies ist die Folge einer langjährigen Wohnungsbaupolitik, die die Interessen der Mieter völlig vernachlässigt.

Er sei diesmal als Vorsitzender der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) gekommen, erklärte Klaus Wiesehügel gleich zu Anfang. Die Einladung des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), auf dessen wohnungspolitischer Konferenz zu sprechen, habe er erhalten, noch bevor SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück ihn für die Themen Arbeit und Soziales in sein Schattenkabinett holte. Doch so ganz konnte Wiesehügel den Wahlkampf nicht heraushalten aus seiner Rede. »Es ist offensichtlich, dass die Städte- und Wohnungsbaupolitik geändert werden muss«, sagte er. Die jetzige Bundesregierung habe vier Jahre dafür Zeit gehabt. »Sie hat ihre Chance verpasst«, so Wiesehügel.

Schwarz-Gelb liefert für diese Wahlkampfaussage auch eine gute Vorlage: In den vergangen Jahren hat sich der Staat immer mehr aus dem öffentlichen Wohnungsbau verabschiedet. Sozialwohnungen werden so gut wie keine mehr gebaut. Stattdessen verkauft die öffentliche Hand Wohnungen aus ihrem Besitz an Immobilienspekulanten, wie etwa im Fall der TLG Wohnen Ende letzten Jahres. Zudem hat die Bundesregierung das Mietrecht zu Gunsten der Eigentümer verändert. Die Folge ist, dass das Wohnen immer teurer wird. Denn gleichzeitig wird zu wenig gebaut. Rund 140 000 Mietwohnungen müssten es jährlich sein. In den letzten Jahren waren es jedoch lediglich 65 000 bis 70 000. Hält die Entwicklung an, fehlen im Jahr 2025 rund eine Million Wohnungen.

Auch Wohnungsräumungen wurden im Zuge der Reformierung des Mietrechts durch Schwarz-Gelb erleichtert. So stieg die Zahl der angeordneten Zwangsräumungen alleine in Hamburg von 1481 im Jahr 2009 auf 1590 im Jahr 2012. In Sachsen-Anhalt betrugen sie letztes Jahr 820. Dies geht aus einer Anfrage der verbraucherpolitischen Sprecherin der LINKEN im Bundestag, Caren Lay, hervor.

»Wir brauchen nicht nur Wohnraum, sondern wir brauchen bezahlbaren Wohnraum«, forderte der Bundesdirektor des Deutschen Mieterbundes (DMB), Lukas Siebenkotten. Eine kurzfristige Maßnahme könnte nach Ansicht des DMB die Deckelung des Mietpreises bei Wiedervermietung auf maximal zehn Prozent der ortsüblichen Vergleichsmiete sein. Doch das schaffe keinen neuen Wohnraum, es sei lediglich ein »brauchbares Schmerztherapeutikum«, so Siebenkotten.

»Damit auch Durchschnitts- und Geringverdiener bezahlbaren Wohnraum erhalten können, muss ein handlungsfähiger Staat eingreifen«, warb DGB-Vorstandsmitglied unter anderem für die gezielte Förderung des sozialen Wohnungsneubaus. Auf der Konferenz war auch im Gespräch, den privaten Wohnungsbau zu fördern: etwa durch die Anhebung der jährlichen steuerlichen Abschreibungsmöglichkeit für Immobilen von zwei auf vier Prozent.

Für den Stadtsoziologen Andrej Holm ist es ein Fehler, auf die Kräfte des Marktes zu setzen: »Wir haben es mit einem systematischen Versagen der Marktwirtschaft zu tun, wenn wir uns die Probleme der Wohnungsversorgung anschauen«, so Holm. Denn Wohnungen würden zwar noch gebaut, doch dabei handele es sich meist um teure Wohnräume für Reiche.

Die wohnungspolitische Sprecherin der LINKEN im Bundestag, Heidrun Bluhm, ist deswegen für die Schaffung einer neuen Gemeinnützigkeit im Wohnungsbau. »In dem Moment, wo mit Wohnungen Renditen erwirtschaftet werden müssen, haben wir den sozialen Wohnungsbau völlig aus der Hand gelassen«, so Bluhm.

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