Oft fehlt die Kommunikation

Ärztekammer: Behandlungsfehler bleiben aber im Promillebereich

  • Ulrike Henning
  • Lesedauer: 3 Min.
Echten oder vermuteten ärztlichen Behandlungsfehlern auf den Grund zu gehen, ist nicht so einfach. Dass es sie gibt, leugnet aber auch die Ärztekammer nicht.

2280 medizinische Behandlungsfehler gab es laut Bundesärztekammer im Jahr 2012. Regionale Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen hatten zuvor über 7578 Patientenanträge entschieden. In 1889 Fällen wurde ein Behandlungsfehler als Ursache für einen Gesundheitsschaden ermittelt, der eine Entschädigung erforderte. Die häufigsten Diagnosen, die zu einem Verdacht auf Falschbehandlung führten, waren wie in den Vorjahren Knie- und Hüftgelenksarthrosen sowie Frakturen von Unterarm, Unterschenkel und Sprunggelenk. Es kam zu 82 Todesfällen, vor allem bei der Behandlung von Herz-Kreislauf- und Krebserkrankungen. Diesen Zahlen stehen 18 Millionen Krankenhausbehandlungen und 540 Millionen Behandlungen bei niedergelassenen Ärzten gegenüber.

Vermutet ein Patient einen Behandlungsfehler und spricht seinen Arzt darauf an, kann es passieren, dass dieser nicht oder nur ausweichend antwortet oder in Fachlatein verfällt. In Kliniken wird manchmal ein Kollege oder ein Mitarbeiter aus dem Qualitätsmanagement vorgeschickt. So bündelt Elisabeth Goetz Patientenerfahrungen. Die Anästhesistin ist Geschäftsführerin der Unabhängigen Patientenberatung in Bremen. Sie empfiehlt bei einem Verdacht ein Schlichtungsverfahren. Das kann kostenlos bei den Schlichtungsstellen der Ärztekammern eingeleitet werden. Allerdings ist es, auch bei fachlichem Beistand etwa durch die Patientenberatung, häufig eine emotional anstrengende Prozedur.

Trotz der populären Befürchtung, dass eine Krähe der anderen kein Auge aushackt, setzt Goetz auf die Neutralität und die fachkundige Einschätzung der Gutachter. Sie bedauert, dass die Schlichtungsstellen zu wenig bekannt seien, auch unter Ärzten. Deshalb sind die Anträge an diese Einrichtungen - 2012 waren es 12 232, etwa zehn Prozent mehr als 2011 - nur eine Seite der Medaille. Goetz vermutet eine hohe Dunkelziffer, selbst wenn die bei Krankenkassen, Haftpflichtversicherungen oder Gerichten registrierten Fälle hinzugerechnet werden. Gut ein Viertel aller vermuteten Arzthaftungsfälle wird durch Gutachter und Schlichtungsstellen bewertet, teils überlappen sich die Vorgänge aber. Die leichte Zunahme bei den Anträgen erklärt sich der Geschäftsführer der Schlichtungsstelle der norddeutschen Ärztekammern, Johann Neu, mit den Diskussionen um das im Februar in Kraft getretene Patientenrechtegesetz.

Vermutlich kann ein medizinischer Laie den Fachvorsprung der Mediziner nicht ausgleichen. Aber er kann sich Hilfe holen - zumal er nach wie vor die Beweislast trägt - und in ein Schlichtungsverfahren gehen. Fast 70 Prozent der Patientenanträge bezogen sich auf Fälle, denen kein Behandlungsfehler zugrunde lag. Es könnte sein, dass die Informationen des Arztes über die Therapieaussichten zu knapp waren oder der Patient sie nicht verstanden hat. Auf jeden Fall stimmte die Kommunikation nicht. 90 Prozent der abschlägig beschiedenen Antragsteller ließen die Sache auf sich beruhen, neun Prozent gingen vor Gericht. Von diesen erreichten nur zehn Prozent eine andere Entscheidung.

Die Ärzte ihrerseits versuchen mit Melde- und Qualitätssicherungsverfahren Fehler zu vermeiden und aus ihnen zu lernen. Das reicht von international empfohlenen Checklisten für Operationen bis hin zu einem »Peer-Review«-Prozess, bei dem externe Fachärzte systematisch Behandlungsunterlagen untersuchen. Sie prüfen dabei bestimmte Qualitätsindikatoren. Für Anästhesie und Unfallchirurgie gehören dazu die rechtzeitige Einleitung einer Antibiotikatherapie, die Dokumentation von Angehörigengesprächen oder der Verbrauch von Desinfektionsmitteln. Werden Standards unterschritten, kommt »Besuch« von einigen der 200 beteiligten Chefärzte, die ihren Kollegen helfen.

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