Der Spendierhosenanzug

  • Ernst Röhl
  • Lesedauer: 3 Min.

Wahlkampf ist keine Kunst, sagt sich die Bundeskanzlerin, und verspricht das Blaue vom Himmel. So gesehen, ist es keine Überraschung, dass sie ein Füllhorn mit Wahlspeck im Gesamtwert von 28 Milliarden Euro über das Wahlvolk auskippt. Wenn schon flunkern, dann richtig! Durchaus möglich, dass sie im aktuellen Geschenkewahlkampf sogar Kampfdrohnen und Lohndumping zu Wahlgeschenken hochstilisiert. Und ist es nicht süß, dass sie jedem deutschen Schüler - vielleicht! - einen Tablet-Computer schenken wird?

Dass der Bundestag für August 2013 zugunsten der Kleinsten den gesetzlichen Anspruch auf einen Kitaplatz beschloss, spielt in ihren Versprechern keine Rolle. Hauptsache, Anspruch! Ob die Kitaplätze tatsächlich irgendwann von irgendwoher kommen werden, ob nun über Oberammergau oder aber über Unterammergau, das kriegen wir später. Denn wir haben Vertrauen und bauen auf das Merkelmotto: Ich mache nicht nur leere Versprechungen - ich halte mich auch daran.

In einem tolldreisten Aufstand der Anständigen stempelt die SPD die Kanzlerin zur »Schuldenpäpstin« und schmäht ihre Ankündigungen als »Volksverdummung« und »Wahlbetrug mit Ansage«. So feindselig kann es klingen, wenn Sozialdemokraten Treu’ und Redlichkeit üben im politischen Glaubwürdigkeitsgemetzel. Den Selbstverteidigungsminister de Maizière, der von allem nichts gewusst, nennen sie sogar brutal einen »Lügner«. Doch selbst das bringt den Steinbrück nicht weiter, wenn er sich einen Sprecher wie Rolf Kleine von der »Bild«-Zeitung leistet. Talent für den Posten scheint Kleine zu haben; denn er diffamiert gern Hartz-IV-Hartzis, die angeblich ihre »Arbeitsagentur mit einem Geldautomaten verwechseln: Kohle her und tschüss!«

Dies sind sie wieder, die tollen Tage mit Lug und Trug am laufenden Band. ’s is’ Wahlkampf, Leute, darum wird nach altem Brauch gelogen, dass die Heide wackelt. Weil Deutschland eine Demokratie ist, muss der Wähler immer falscher unterrichtet werden, damit er sich an der Wahlurne immer richtiger zwischen den Pappnasen entscheiden kann, die es in den Plenarsaal zieht, wo ihnen vier Jahre erstklassig dotierter Inkompetenz winken.

Innenminister Friedrich erklärt mit treuem Augenaufschlag, er hätte von der geheimen Datensammelei des US-amerikanischen Späh-, Horch- & Kuckprogramms »Prism« noch nie gehört, und Verfassungsschutz-Chef Maaßen ergänzt: »Ich auch nicht!« Die Autoindustrie führt ihre Kundschaft »hinter die Fichte« (Zitat Steinbrück), indem sie den Kraftstoffverbrauch ihrer Neuwagen gegen Null rechnet. Die Deutsche Bahn kassiert immer höhere Fahrpreise und erreicht die Bahnhöfe mit immer größerer Verspätung. Und die schwäbische Hausfrau traut den Bio-Eiern schon lange nicht mehr.

Das allerschönste Wahlpräsent aber, das die Regierung uns macht, ist ein Danaergeschenk der Extraklasse: die Kopie des Hohenzollernschlosses. Man gönnt sich ja sonst nichts. Bei Kaiserwetter legte Bundespräsident Gauck den Grundstein, zwei weitere Geistliche (katholisch & evangelisch) segneten die Baustelle. Vorsichtshalber. Zwar sind für den Bau nur ganze 590 Millionen Euro veranschlagt, die Spenden aber tröpfeln spärlich. Darum fürchtet der Steuerzahler mit Recht, dass ihn diese Residenz teurer zustande kommen könnte als der relativ preiswerte Großflughafen BER. Der Freundeskreis Willem zwo jedoch schwärmt verliebt von der »positiven Rückwärtsgewandtheit« der Feudalattrappe, Parole: Für ein Deutschland von gestern noch heute!

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