Güterverkehr auf flüsterleisen Sohlen

Die Deutsche Bahn rüstet ihre Wagenflotte auf reibungsärmere Bremsen um

  • Erich Preuß
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Deutsche Bahn verabschiedet sich von den Grauguss-Bremssohlen - zugunsten der Lärmreduzierung.

Das Wundermittel gegen den Schienenlärm durch Güterzüge, die LL-Bremssohle, ist in Europa zugelassen. Auch die Deutsche Bahn beginnt nun mit der Umrüstung ihrer Güterwagen. Ohne Fanfarenstoß, aber mit herbeigeeilter Prominenz begann die Aktion am Montagabend in einer Werkstatthalle in Berlin-Grunewald. Jean-Pierre Loubinoux, Generaldirektor des Internationalesn Eisenbahnverbandes Union of Railway, würdigte das Ereignis ausführlich. Und sowohl Bahnchef Rüdiger Grube als auch Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer waren bereit, sich unter einen Güterwagen zu hocken, um einem Arbeiter beim flinken Wechsel der Bremssohlen von Grauguss auf LL (»low noise, low friction« - wenig Geräusch, wenig Reibung) zuzusehen.

Doch ganz so schnell verschwindet der Lärm der Güterzüge nicht, weder im Rhein- noch im Elbtal, wo die Bürger und Touristen empfindlich auf die Ruhestörung, besonders des Nachts, reagieren. Seit 2001 beschaffte die Bahn bereits 7600 Wagen mit der leiseren Kompositsohle (K-Sohle). Mit 7,5 Millionen Euro des Projekts »Leiser Rhein« werden weitere 1250 Wagen aus dem Bestand umgerüstet. Bei der K-Sohle muss allerdings auch die Bremstechnik ausgetauscht und der gesamte Wagen neu zugelassen werden.

Der Austausch Grauguss- gegen LL-Sohle beläuft sich dagegen mit 1700 Euro pro Wagen nur auf rund ein Drittel der Kosten für die K-Sohlen, und geht zudem viel schneller vonstatten. Ende 2014 sollen rund 14 000 leise Güterwagen unterwegs sein. Dabei geht es keineswegs nur um leises Bremsen, viel mehr rauen die neuen Bremssohlen die Lauffläche der Räder weniger auf als die Grauguss-Sohlen. Deshalb fahren die Wagen mit K- oder LL-Sohle viel leiser.

Bis 2020 will die Bahn den Schienenlärm gegenüber dem Jahr 2000 halbiert haben. Fachleute sagen, der hörbare Erfolg trete erst ein, wenn 80 Prozent der Güterwagen mit den Verbundbremssohlen fahren. Europaabgeordneter Michael Cramer sagte, dass eine Minderung des Lärms um drei Dezibel eine gefühlte Entlastung um 50 Prozent bedeute. Entscheidend sei, dass schnell umgerüstet werde. Die Schweiz wird ab 2020 keine Wagen mit Graugusssohlen mehr auf ihre Schienen lassen.

Das seit dem 9. Dezember 2012 geltende lärmabhängige Trassenpreissystem mit einem Prozent Bonus entfaltet dagegen nach Cramers Ansicht kaum Wirkung. Die Anreize für die Umrüstung müssten größer sein. Bahnchef Grube hofft wenigstens, dass sich die anderen deutschen und europäischen Wagenhalter anschließen, um den Lärms zu reduzieren. Auf dem deutschen Netz fahren weitere rund 60 000 Güterwagen privater deutscher Wagenhalter und etwa ausländische 60 000 Wagen.

Immerhin versicherte Minister Ramsauer am Montag, dass die Umrüstung der Güterwagen mit bis zum Jahr 2020 mit staatlichen Zuschüssen gefördert werde. »Danach werden laute Züge nicht mehr auf das deutsche Netz gelassen. Endlich wird es erträglicher werden für die Menschen entlang der viel befahrenen Bahnstrecken.« Für die durch die Umrüstung entstehenden Folgekosten, zum Beispiel häufigere Inspektionen und höherer Radverschleiß, ist bislang keine Förderung in Sicht.

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