Piraten klagen gegen Gesetz zur Datenauskunft

Eine Verfassungsbeschwerde der Partei hatte bereits die bisherigen Regelungen zum Abruf sensibler Daten zu Fall gebracht

  • Johanna Treblin
  • Lesedauer: 2 Min.

Per Verfassungsbeschwerde will die Piratenpartei das Gesetz zur Bestandsdatenauskunft kippen. Das Gesetz, mit dem es Bundesbehörden erleichtert werden soll, Passwörter von E-Mail-Konten und andere sensible Daten auszulesen, ist am Montag in Kraft getreten. Die Piraten kritisieren zum einen die weitreichenden Befugnisse, auf Kommunikationsdaten zuzugreifen. Zum anderen sei das Gesetz so unpräzise formuliert, dass unklar bleibe, unter welchen Bedingungen Polizei und Verfassungsschutz die Bürger ausspionieren dürfen.

Zu den Bestandsdaten gehören neben Name, Adresse, Kontodaten und Geburtsdatum auch PIN und PUK des Handys, die IP-Adresse des Computers und Passwörter für Mail-Accounts und Online-Kalender. Die bisherigen Regelungen zum Zugriff auf diese Daten hatte das Bundesverfassungsgericht bereits 2012 gekippt, nachdem der schleswig-holsteinische Piraten-Landtagsabgeordnete Patrick Breyer geklagt hatte. Breyer ist auch in diesem Fall wieder Beschwerdeführer.

Oliven im Sternenwind - Snowdens enthüllte Abhörprogramme

PRISM: Das Programm sorgt dafür, dass jede Google-Suche, jede Outlook-Mail und jeder Skype-Anruf in Echtzeit beim US-Geheimdienst NSA landet. Dazu muss dieser nicht einmal Kabel anzapfen: Die großen Internetkonzerne wie Google, Microsoft, Yahoo, Facebook und Apple liefern die Daten.

EvilOlive und ShellTrumpet: Bis zu 75 Prozent der Verbindungsdaten weltweit schöpft die NSA mit Hilfe der beiden Programme ab und ersetzt damit das 2011 eingestellte Projekt zur Vorratsdatenspeicherung »StellarWind«. Lieferanten der Daten sind auch »verbündete Regierungen«.

Dropmire: Daten, die jene Verbündeten nicht freiwillig herausrücken, holt sich die NSA unter anderem unter diesem Codenamen für das Anzapfen eines Faxgerätes im Washingtoner EU-Büro. 38 solcher Ziele listen geheime Dokumente auf. Außer in Brüssel sind die Wanzen und Abhörantennen z.B. in den Botschaften Frankreichs, Italiens und Japans versteckt.

Pacnet ist zwar kein Abhörprogramm, aber der chinesische Betreiber von Glasfaserverbindungen machte trotzdem die Bekanntschaft der US-Schlapphüte. Neben Daten aus Forschungseinrichtungen fing die NSA nach den Angaben Snowdens auch in China Hunderte Milliarden SMS ab.

Boundless Informant: Die ebenfalls streng geheime Software hilft der NSA dabei, aus Billionen gesammelten Daten das Wesentliche herauszufiltern und so z.B. Bewegungsprofile über jede beliebige Person zu erstellen. Noch beunruhigender: Nach einem geleakten Ausdruck der Software sammelt die NSA in Deutschland ähnlich viele Daten wie in China oder Irak. Allein 20 Millionen deutsche Telefonanrufe sollen täglich auf NSA-Rechnern landen.

Tempora: Noch übertroffen wird die NSA allerdings vom Geheimdienst seiner Majestät GCHQ. Das Ausmaß des Programmes, das seine Daten aus über 200 angezapften Glasfaserkabeln erhält, wird allein schon durch die Selbstbeschreibung deutlich: »Auswertung der weltweiten Telekommunikation« und »Beherrschung des Internets«.

Fabian Köhler

 

Der Bundestag hat das Gesetz nun reformiert. Das Ergebnis verstößt nach Auffassung der Piratenpartei gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung sowie das Telekommunikationsgeheimnis und ist in mehr als zehn Punkten verfassungswidrig: »Der Gesetzgeber hat die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, die Anlass für die Neuregelung waren, nicht eingehalten«, sagte Meinhard Starostik, der als Anwalt Breyer und Katharina Nocun vertritt, politische Geschäftsführerin der Piratenpartei und zweite Beschwerdeführerin.

Anlass der Verfassungsbeschwerde ist unter anderem, dass häufig nicht nur der Zugriff auf einzelne Informationen, sondern sofort auf alle Daten eines Nutzers gewährt wird. Weiterhin fehlt eine Beschränkung auf rechtmäßig gespeicherte Daten. Damit können Behörden sogar auf alle Daten zugreifen, die Unternehmen ohne Erlaubnis der Nutzer über sie gespeichert haben. »Wenn wir den Geheimdiensten heute die Hintertür öffnen, brauchen wir uns morgen nicht zu wundern, wenn wir ein eigenes PRISM haben«, sagte Nocun. »Wir schaffen hier mit dem Bundeskriminalamt eine neue Internet-Geheimpolizei, die unsere intimsten Gedanken durchwühlen und rastern darf«, ergänzte sie.

Bei der Klage handelt es sich um eine Sammel-Verfassungsbeschwerde, an der jeder Bundesbürger teilnehmen kann, ohne dass Prozesskosten auf ihn zukommen. Nach Angaben der Piraten haben sich schon mehr als 4000 Menschen beteiligt.

Parallel zur Verfassungsbeschwerde in Deutschland haben alle Piratenparteien Europas am Sonntag unter antiprism.eu gemeinsam eine Online-Petition gegen die Abhörprogramme PRISM und Tempora gestartet.

Obwohl Datenschutz und die Achtung der Privatsphäre Hauptthemen der Piratenpartei sind, hat das Bekanntwerden der Abhörskandale nicht zu besseren Umfragewerten der Partei geführt. Laut der letzten Forsa-Umfrage vom 26. Juni liegt sie noch immer bei kläglichen und chancenlosen zwei Prozent.

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