Auf der Flucht vor der Army

US-Soldaten verweigern den Kriegsdienst - Asyl wird ihnen in der Bundesrepublik verweigert

Deserteure der US-Armee stehen vor einer schwierigen Entscheidung: Wenn sie im Ausland ein Asylverfahren anstrengen, ist die Rückkehr in ihr Heimatland versperrt.

Edward Snowden ist durch seine Enthüllungen zum Staatsfeind geworden. Der ehemalige Geheimdienstmitarbeiter sucht weltweit Unterschlupf. Bei einer Verurteilung in den Vereinigten Staaten droht ihm eine hohe Haftstrafe. Jedoch ist Snowden nicht der erste US-Staatsbürger, der in der Bundesrepublik um Asyl gebeten hat.

2008 hat das bereits André Shepherd, ein Deserteur aus der Army, getan. Shepherd setzte als Mechaniker im Irak-Krieg Hubschrauber in Stand. Er berief sich in seinem Verfahren auf eine Richtlinie der Europäischen Union. Die gewährt denjenigen Schutz, die sich einem völkerrechtswidrigen Krieg entziehen und darum mit Verfolgung rechnen müssen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte vor rund zwei Jahren Shepherds Antrag ab. Dagegen reichte der Deserteur Klage ein; diese ist nun vor dem Europäischen Gerichtshof anhängig.

Besonders Anfang der 90er Jahre haben sich viele Soldaten aus den Vereinigten Staaten dem Kriegsdienst verweigert, als der zweite Golfkrieg im irakischen Wüstensand tobte. Nach Angaben von Rudi Friedrich von Connection, einem Verein, der sich für das Recht von Kriegsdienstverweigerern auf Asyl stark macht, sind damals etwa 100 Soldaten in der Bundesrepublik desertiert. Davon sei keiner in Deutschland geblieben, so Friedrich. Vermutlich haben viele von ihnen ein Asylverfahren erwogen, dann aber die Entscheidung getroffen, sich den US-Behörden zu stellen. Und dafür gibt es Gründe: Solange sich ein amerikanischer Deserteur im Ausland versteckt, kann er nicht in sein Heimatland zurück. Denn dort droht ihm die Verfolgung durch die Justiz. Aus dem selben Grund strengt kaum ein Verweigerer der US-Armee ein Asylverfahren im Ausland an. Shepherd ist bisher der einzige Kriegsdienstverweigerer mit US-Pass, der in der Bundesrepublik diesen Schritt getan hat.

Auch Agustín Aguayo war vor dem Militär geflüchtet. Wie André Shepherd weigerte er sich, als Soldat nach Irak zurückzukehren. Aquayo stellte sich aber der Armee. Die verfrachtete ihn daraufhin nach Deutschland, einem Drehkreuz der USA für Truppen- und Materialnachschub in Richtung Irak. Anfang 2007 wurde der US-Amerikaner zu einer Haftstrafe von acht Monaten verurteilt - wegen »Desertion« und »Verpassen der Verlegung der Einheit«.

Lange bevor die Vereinigten Staaten vor mehr als zwanzig Jahren Irak angriffen, desertierten US-Soldaten - und liefen in die DDR über. Einer von ihnen war Victor Grossman, der Anfang der 50er Jahre in Bayern stationiert war. Dann kam heraus, dass Grossman Kommunist war - ein schweres Vergehen in der McCarthy-Ära. Er wurde vor ein Militärgericht bestellt und setzte sich daraufhin erst nach Österreich ab und kam anschließend in die DDR.

»Bis zum Mauerbau 1961 liefen etwa 75 US-Soldaten in die DDR über«, gibt Peter Köpf gegenüber »nd« Auskunft. Köpf hat seine Recherchen in dem Buch »Wo ist Lieutenant Adkins? Das Schicksal desertierter NATO-Soldaten in der DDR« veröffentlicht. Genaue Zahlen über die folgenden Jahre, so der Journalist, könne er nicht liefern. Er habe mehrere Dutzend weitere identifiziert, jedoch nicht deren MfS-Akten geprüft.

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