»Es war wie in Pompeji«

Nach dem Eisenbahnunglück in Kanada werden noch 37 Menschen vermisst

  • Lesedauer: 2 Min.

Nach der Explosion eines Tankzugs in Kanada mit mindestens 13 Toten werden noch immer Dutzende Menschen vermisst. Rettungskräfte durchkämmten auch am dritten Tag nach der Katastrophe das in Trümmern liegende Zentrum der ostkanadischen Kleinstadt Lac-Mégantic auf der Suche nach 37 Vermissten. Die geborgenen Leichen waren bis zur Unkenntlichkeit verbrannt. Die Polizei bat die Familien der Vermissten um Haarbürsten oder Zahnbürsten für DNA-Proben zur Identifizierung.

Der führerlose Zug mit 73 Kesselwagen voller Rohöl war am Samstag in das 6000-Einwohner-Städtchen hinein gerast und explodiert. Mindestens 30 Gebäude wurden zerstört, darunter ein Supermarkt, eine Bar und die Bibliothek. 2000 Menschen mussten vorübergehend ihre Häuser verlassen. Mehrere Waggons brannten bis in den nächsten Tag hinein. Etwa 100 000 Liter Öl wurden in den Chaudière River gespült.

Das gesamte Ausmaß der Schäden und die Ursache der Katastrophe blieben auch am Dienstag zunächst unklar. Rund anderthalb Stunden vor der Katastrophe sei in der im Nachbarort Nantes geparkten Lokomotive ein Feuer ausgebrochen, das seine Männer bekämpft hätten, sagte der Feuerwehrchef von Nantes, Patrick Lambert, der »Montreal Gazette«. Dabei hätten die Feuerwehrmänner den Motor der Lokomotive herunterfahren müssen.

Der Chef von Rail World Inc, Muttergesellschaft der betroffenen Bahngesellschaft Montreal, Maine & Atlantic Railway, sagte, die Feuerwehrleute könnten dabei unwissentlich die Druckluftbremsen der Lokomotive deaktiviert haben. Dies wies die Feuerwehr zurück. Mitarbeiter der Bahngesellschaft seien anwesend gewesen. »Sie sagten uns, das Feuer sei gelöscht, alles sei stabil und wir könnten nun wieder fahren«, so Lambert. Züge der Montreal, Maine & Atlantic Railway, waren kanadischen Medienberichten zufolge schon häufiger in Unfälle verwickelt.

Unterdessen konzentriert sich die Suche der Rettungskräfte vor allem auf die beliebte Bar »Musi-Café«. Von vielen Gästen fehlt jede Spur. »Ich habe eine Freundin, die vor der Bar geraucht hat, als es passiert ist, und sie ist gerade noch davon gekommen«, sagte die 27-jährige Anne-Julie Huot. Das Schlimmste für ihn sei der Anblick der Bar gewesen, sagte der liberale Parteichef Justin Trudeau. Die Gläser standen noch auf den Tischen, unberührt, so wie die um ihr Leben Flüchtenden das Lokal verlassen hatten, sagte er dem »Toronto Star«. »Es war wie in Pompeji in Italien, wo plötzlich eine verheerende Katastrophe diese schöne Stadt heimsuchte.« dpa

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