Geheimdienstaffäre in Luxemburg: Juncker tritt zurück

Sozialisten beantragen Neuwahlen, Koalition zerbrochen / Regierungschef weist Vorwürfe zurück und will wieder antreten

  • Lesedauer: 2 Min.

Luxemburg (Agenturen/nd). Der langjährige luxemburgische Regierungschef Jean-Claude Juncker hat seinen Rücktritt bekanntgegeben. Er werde den Rücktritt am Donnerstagmorgen offiziell einreichen, kündigte Juncker am Mittwochabend an. Juncker war wegen einer Geheimdienstaffäre in Bedrängnis geraten.

Die Neuwahl muss nicht das Ende der politische Karriere Junckers in Luxemburg bedeuten: Er will wieder antreten. »Ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass ich nicht mehr zur Wahl antreten würde«, sagte er nach dem langen Tag im Parlament vor Reportern. Er wolle mit seiner Partei um die Zustimmung der Luxemburger ringen. Am Mittwoch hatte er seinen sozialistischen Koalitionspartner verloren - dieser beantragten eine Auflösung des Parlaments und vorgezogene Neuwahlen. Ohne die Sozialisten hat Junckers Christlich-Soziale Volkspartei keine Mehrheit. Die oppositionellen Liberalen und Grünen hatten einen Misstrauensantrag eingebracht. Daraufhin entschloss sich Juncker zum Rücktritt.

Der Bericht eines Untersuchungsausschusses legte ihm die politische Verantwortung für ein jahrelanges Eigenleben des heimischen Geheimdienstes zur Last - inklusive illegaler Abhöraktionen. Der damalige Chef des Geheimdienstes Srel, Marco Mille, hatte mit einer Spezialuhr 2007 heimlich ein Gespräch mit Juncker aufgenommen. Ende 2008 erfährt Juncker davon, erst 2010 geht Mille. Juncker sagte, er habe von diesem Abhören nichts gewusst. Auch eine Bombenleger-Affäre spielt eine Rolle dabei. Es geht um eine Serie von 20 Sprengstoffanschlägen zwischen 1984 und 1986 mit mehreren Verletzten. Das Gerücht kursiert, dass ein Zeuge den Luxemburger Prinzen Jean in den 1980er Jahren bei einem Bombenanschlag beobachtet haben soll, was dieser bestreitet.

»Der Regierungschef muss die Verantwortung übernehmen - nicht, weil er unaufrichtig oder inkompetent ist, sondern, weil er falsche Entscheidungen getroffen hat«, sagte Sozialisten-Chef Alex Bodry. »Es hat schwere Versäumnisse gegeben«, der Regierungschef müsse die Verantwortung übernehmen. Juncker erwiderte, es gebe »keine andere Wahl als den Rücktritt der Regierung zu erklären«. Für Donnerstagmorgen kündigte er eine letzte Kabinettssitzung an, bevor er dem Großherzog Henri von Luxemburg offiziell das Rücktrittsgesuch übergeben werde.

Juncker wies zuvor in der Parlamentssitzung die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zurück. Eine parlamentarische Untersuchungskommission war zu dem Schluss gekommen, dass er die politische Verantwortung für den Skandal trage. Die Beaufsichtigung des Geheimdienstes habe er nicht zu seinen »Prioritäten« gezählt, sagte Juncker zu Beginn seiner zweistündigen Verteidigungsrede. Er räumte Fehler ein, Gesetzesverstöße könne er aber nicht erkennen. Seit 1995 steht Juncker an der Spitze der Luxemburger Regierung. Er ist einer der Väter des Euro und war wesentlicher Autor des EU-Maastricht-Vertrags. Von 2005 bis Januar 2013 stand er an der Spitze der Eurogruppe, der Finanzminister der Länder mit Euro-Währung.

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