Irland erlaubt erstmals Abtreibungen

Nach dem Tod einer Schwangeren beschloss das Parlament eine Lösung für Härtefälle

  • Gabriel Rath, London
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Sitzungsmarathon hat doch noch ein Ende gefunden. Das irische Parlament hat in der Nacht zum Freitag erstmals in strikt eingeschränkten Fällen einen Schwangerschaftsabbruch legalisiert.

Die Abgeordneten hatten seit Mittwochmorgen beinahe ohne Unterbrechung getagt, denn kaum ein Thema ist in dem stark katholisch geprägten Irland so umstritten wie die Abtreibung. Europastaatssekretärin Lucinda Creighton stimmte gemeinsam wie vier anderen Abgeordnete der Regierungspartei Fine Gael gegen die Novelle und verlor dafür ihren Regierungsposten.

Die Entscheidung des Parlaments sieht vor, dass Abtreibungen in Fällen, in den das Leben einer werdenden Mutter in akuter Gefahr ist, legal in Irland vorgenommen werden dürfen. Ebenso dürfen Frauen, die in Suizidgefahr schweben, nach Prüfung durch eine dreiköpfige Ärztekommission ihre Schwangerschaft durch einen Eingriff legal beenden lassen.

Die Gesetzesnovelle erfolgte in Reaktion auf den Fall der 31-jährigen Inderin Savita Halappanavar, die im vergangenen Oktober in der 17. Schwangerschaftswoche nach einer Fehlgeburt an inneren Blutungen starb. Das Krankenhaus, in dem sie um Behandlung gebeten hatte, verweigerte eine für die Frau lebensrettende Abtreibung mit der Begründung, dass Irland »ein katholisches Land« ist, wie ihr Mann berichtete. Zudem waren Ärzte nach damaliger Gesetzeslage für eine Abtreibung mit lebenslanger Haft bedroht.

Der Fall hatte weit über die Grenzen Irlands Aufsehen erregt und auch ein Schlaglicht auf die Scheinheiligkeit der bestehenden Regelungen in Irland gerichtet. Seit einer Entscheidung des Höchstgerichts von 1992 über die Zulassung der Abtreibung in besonderen Notfällen wie etwa einer Schwangerschaft nach Vergewaltigung Minderjähriger scheuten Politiker aus Furcht vor der katholischen Kirche eine Entscheidung. Zugleich reisten allein im Vorjahr fast 4000 irische Frauen, insbesondere im Alter zwischen 20 und 24 Jahren, für Abtreibungen ins benachbarte Großbritannien, wie am Donnerstag veröffentlichte Statistiken enthüllten.

Gleichzeitig nehmen jedes Jahr Tausende irische Frauen Schwangerschaftsabbrüche durch im Internet bestellte Medikamente vor - mit offensichtlichem Risiko für ihre eigene Gesundheit. »Wir beschlagnahmen Hunderte solcher Sendungen jedes Jahr«, sagte Kevin Kelleher vom staatlichen Gesundheitsdienst. Die Dunkelziffer dieser und anderer unkontrollierter Eingriffe sei jedoch unabschätzbar.

Die nun mit großer Mehrheit beschlossene Legalisierung der Abtreibung bedeutet einen schweren Schlag für die katholische Kirche. Bischöfe hatten Ministerpräsident Enda Kenny vor der Abstimmung sogar mit der Exkommunikation gedroht. Der Regierungschef zeigte sich jedoch unbeeindruckt: »Wir hatten 21 Jahre der Tatenlosigkeit. Es ist Zeit, dass wir handeln.« Im Wahlkampf vor zwei Jahren hatte Kennys Partei Fine Gael noch ausdrücklich versprochen, dass die Schwangerschaftsgesetzgebung nicht angetastet werde. Damit begründete Staatssekretärin Creighton ihr Votum gegen die Regierungslinie: »Es ist ein trauriger Tag für mich, denn wir haben vor der Wahl ein klares Versprechen abgegeben.« Insbesondere Koalitionspartner Labour hatte auf Liberalisierung gedrängt.

Vor dem Parlament wurden die Beratungen seit Mittwoch von Abtreibungsgegnern und -befürwortern verfolgt. Ein Antrag beim Höchstgericht auf Sitzungsunterbrechung wurde abgewiesen. Nach der Entscheidung soll das Bemühen um Ausgleich beginnen.

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