Hunderte Masernfälle: SPD und Union erwägen Impfpflicht

Umfrage: Große Mehrheit für Vakzinationsgebot - vor allem im Osten / Mediziner beklagen mangelnden Gesundheitsschutz

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Berlin (Agenturen/nd). Angesichts der sich häufenden Fälle von Masern haben sich Politiker von Union und SPD für eine Impfpflicht ausgesprochen - falls weitere Aufklärungskampagnen keinen Erfolg zeitigen. »Wenn sich herausstellt, dass sich innerhalb eines Jahres die Impfquote nicht entscheidend verbessert, müssen wir über eine Impfpflicht nachdenken«, zitiert die »Rheinische Post« den Vizevorsitzenden der Unionsfraktion, Johannes Singhammer. Ähnlich äußerte sich der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. Er betonte, dass zunächst weiter für mehr Impfungen geworben und der Sinn der Impfungen erklärt werden müsse.

Bis Mitte Juni wurden bereits mehr als 900 Masernfälle gemeldet, die meisten davon in Bayern und Berlin. In fast der Hälfte der Fälle waren die Betroffenen 20 Jahre alt oder älter. Diese Altersverschiebung sei vor allem auf die geringe Beteiligung an der zweiten Mumps-Masern-Röteln-Impfung in den allermeisten Bundesländern zurückzuführen, erklärte GfV-Präsident Thomas Mertens. Alle nach 1970 Geborenen, bei denen der Impfstatus unklar sei oder die nur eine Masern-Impfung erhalten haben, sollten daher »dringend« die zweite Impfung nachholen, empfiehlt auch die Ständige Impfkommission bereits seit längerem.

Derweil zeigte eine Umfrage der Krankenkasse DAK-Gesundheit, dass vier von fünf Bundesbürgern eine Impfpflicht für Kinder befürworten. Die größte Zustimmung zu einer Impfpflicht gibt es demnach in den neuen Ländern, wo 93 Prozent eine solche Regelung unterstützen. Deutlich weniger Impfbefürworter gibt es hingegen in Norddeutschland (72 Prozent) und Bayern (71 Prozent). 19 Prozent der Befragten lehnen eine verpflichtende Impfung strikt ab. Sie pochen vor allem auf das Selbstbestimmungsrecht der Eltern oder fürchten, das Impfen könnte zu viele Risiken und Nebenwirkungen mit sich bringen.

Experten zufolge ist das Impfrisiko aber sehr gering. Nur bei einem von einer Million gegen Masern geimpften Kindern komme es in Folge der Impfung zu Komplikationen mit einer dauerhaften gesundheitlichen Schädigung. Knapp jeder dritte Impfpflicht-Gegner meint aber auch, dass Kinderkrankheiten häufig dramatisiert würden. Zuletzt hatte auch Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) eine Impfpflicht gegen Masern »als letztes Mittel« nicht ausgeschlossen.

Ursprünglich hatte sich die Weltgesundheitsorganisation das Ziel gesetzt, die Masern bis 2010 in Europa auszurotten. In vielen Ländern, darunter auch Deutschland, sind die Impfraten bislang allerdings nicht hoch genug, um die Masern auszurotten. Neues Ziel ist jetzt 2015. Eine Impfpflicht gab es in der Bundesrepublik bereits bis 1983 gegen die Pocken. In der früheren DDR war eine Impfung unter anderem gegen Kinderlähmung, Masern und Pocken gesetzlich vorgeschrieben.

Inzwischen hat die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin auch einen mangelnden Impfschutz gegen Keuchhusten beklagt. Nur etwa einer einer von 20 Erwachsenen in Deutschland sei ausreichend dagegen geimpft. Nach einer aktuellen Umfrage sind auch viele Menschen unzureichend geschützt, die durch direkten Kontakt Säuglinge anstecken könnten. Bei Babys könne der Infekt lebensbedrohlich verlaufen.

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