Chinas Wirtschaft droht harte Landung

In der Volksrepublik liegt das Wirtschaftswachstum das fünfte Mal in Folge unter acht Prozent

  • Christiane Kühl, Peking
  • Lesedauer: 3 Min.
Chinas Wachstum verlangsamt sich immer weiter. Hoffnungen auf eine schnelle Besserung gibt es nicht. Der Aufwärtstrend der vergangenen Jahre wurde mit Schulden möglich gemacht. Nun zahlen die Kommunen die Rechnung, Investitionen bleiben aus. Auch der IWF ist skeptisch.

Chinas Wirtschaftswachstum befindet sich weiter auf Talfahrt. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum legte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im zweiten Quartal nur noch um 7,5 Prozent zu. Von Januar bis März hatte das Wachstum noch bei 7,7 Prozent gelegen. Die industrielle Produktion stieg im ersten Halbjahr nur noch um 9,3 Prozent. »Wichtige ökonomische Indikatoren bleiben innerhalb der erwarteten Grenzen, aber das wirtschaftliche Umfeld bleibt komplex«, drückte Sheng Laiyun, Sprecher des Nationalen Statistikamtes, die Lage aus.

Peking ist vorsichtig geworden, denn erstmals seit langem ist in diesem Jahr auf einmal das eigene Wachstumsziel von 7,5 Prozent in Gefahr. Generell ist die Regierung zwar auf eine Verlangsamung des Wachstums eingestellt. Peking weiß, dass China nicht wie in den vergangenen Jahren zulegen kann, solange wichtige Absatzmärkte im Westen schwächeln. Doch in den vergangenen Wochen häuften sich schlechte Nachrichten. Im Juni waren die Exporte überraschend um 3,1 Prozent zum Vorjahr gesunken. Vor wenigen Tagen kündigte die Zentralbank an, keine Kredite mehr an Branchen zu erlauben, in denen Überkapazitäten bestehen. Und dann brach vergangene Woche Finanzminister Lou Jiwei das Tabu, am offiziellen Wachstumsziel zu rütteln: Sieben oder gar 6,5 Prozent Wachstum seien tolerierbar. Zwar widerrief die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua umgehend, doch die Regierung scheint nervös zu sein.

Der Internationale Währungsfonds IWF stufte seine Wachstumserwartungen für China vergangene Woche von 8,1 Prozent auf 7,8 Prozent herunter. Das liegt zwar über Pekings Wachstumsziel. Doch der Trend geht auch beim IWF klar bergab. Eine Wachstumskrise in China hätte wiederum Auswirkungen auf die ganze Welt. Die Schweiz hat in der Hoffnung auf florierenden Handel gerade erst ein Freihandelsabkommen mit Peking geschlossen.

2012 war Chinas Wirtschaft mit 7,8 Prozent so schwach gestiegen wie seit 1999 nicht mehr. Das fünfte Quartal in Folge mit einem Wachstum unter acht Prozent sei nun »ein klares Anzeichen für eine bedrängte Lage«, kommentierte der Analyst Ren Xianfang von IHS Global Insight in einem Bericht die Zahlen. Angesichts schwacher Investitionsdaten bestehe das Risiko, dass das Wachstum vorerst stagniere, glaubt die Analystin. Chinas Wachstum ist traditionell stark von Investitionen angetrieben. Im ersten Halbjahr lag das Wachstum der Investitionen bei 20,1 Prozent und damit deutlich niedriger als in früheren Jahren.

Peking schiebt Investitionen seit einiger Zeit einen Riegel vor, um den Bau unnötiger Infrastruktur, eine hohe kommunale Verschuldung sowie Blasen - etwa am Immobilienmarkt - zu bekämpfen. Das verdeutlicht den Balanceakt, den die Regierung seit Monaten vollführen muss - zwischen finanzieller Gesundheit und einem ausreichenden Wachstum. In der Wirtschaftskrise hatte Peking mit billigen Krediten Investitionsprojekte befeuert - von der Großfabrik bis zur Autobahn. Um Arbeitsplätze und Wachstum zu retten, verschuldeten sich viele Kommunen in dieser Zeit durch solche Projekte massiv. Die Schätzungen zur aktuellen Verschuldung der Kommunen schwanken stark: Die Standard Chartered Bank schätzt, dass die Schulden der lokalen öffentlichen Hand 15 Prozent des BIP ausmachen, Credit Suisse geht sogar von 36 Prozent aus.

Panik ist laut Tao Wang von der Schweizer Bank UBS aber nicht angebracht: »Wir stimmen zu, dass Chinas Wirtschaft ernste strukturelle Probleme bewältigen muss und sind besorgt über den rasanten Kreditzuwachs der letzten Jahre«, schreibt die UBS-Ökonomin. Eine harte Landung erwartet sie dennoch nicht: »Am wahrscheinlichsten ist nach unserer Ansicht, dass die chinesische Wirtschaft eine Phase schwachen Wachstums und größerer Anpassungen durchlaufen wird, in der faule Kredite und Überkapazitäten in der Realwirtschaft restrukturiert werden müssen.«

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