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Niemand wollte das Freibad-Verbot

Asylpolitik der Eidgenossenschaft sorgt bei Schweizern für Unmut

  • Lena Weibel, Bremgarten
  • Lesedauer: 3 Min.
Bremgarten fühlt sich missverstanden. In der Schweizer Kleinstadt wurde eine Unterkunft für Asylsuchende eröffnet, die international Aufsehen erregt. Dort gültige Auflagen wie ein Freibadverbot stoßen selbst bei den Anwohnern auf Kritik.

»Ich finde es eine Sauerei, dass die Asylbewerber nicht ins Schwimmbad dürfen. Die stinken ja nicht mehr als wir«, erregt sich ein älterer Herr, dessen Wohnwagen direkt neben dem neuen Asylzentrum in Bremgarten steht. Der Ort im Kanton Aargau im Norden der Schweiz ist ein ruhiger. 6500 Einwohner leben hier, davon knapp ein Viertel Ausländer. Doch seit der Eröffnung des Asylzentrums auf dem Waffenplatz Bremgarten ist es mit der Ruhe vorbei. Es ist das erste sogenannte Bundeszentrum und wurde vor rund zehn Tagen eröffnet, ohne dass die Gemeinde ein Veto einlegen konnte. Grund für die Aufregung ist aber nicht Unmut in der Bevölkerung, sondern eine Hausordnung: Darin hieß es, die Asylsuchenden dürften nicht ins öffentliche Schwimmbad.

In Bremgarten haben die Einwohner kaum Verständnis für das Verbot. Der ältere Herr mit Wohnwagen direkt neben der ehemaligen Truppenunterkunft empfindet die neuen Anwohner als freundlich, sein Wohnwagen sei nie abgeschlossen. Auch im Schwimmbad sähe er kein Problem. »Keine Ahnung, wer auf diese Schnaps᠆idee gekommen ist - ich wohne mein ganzes Leben hier und so eine Einstellung passt gar nicht zu Bremgarten.«

Ähnlich sieht es ein älterer Herr, der täglich mit seinem Schäferhund beim Bundeszentrum vorbeiläuft. »Ich habe überhaupt kein Problem mit diesen Menschen. Ich finde es wichtig, dass sie beschäftigt werden«, sagt er. Auch eine junge Frau, die ihr Baby spazieren fährt, versteht den ganzen Rummel nicht. »Ich habe keine Angst um meine Kinder, wenn die Asylbewerber in die Badi gehen, sie haben die gleichen Freiheiten verdient wie wir«, findet sie.

Die Bremgartner waren wohl nicht der Anlass für das Verbot. »Es war nicht so, dass wir die Asylbewerber nicht im Schwimmbad haben wollen«, sagt Frau Madertanner, die ihr halbes Leben neben der Kaserne gewohnt hat.

Auch für die Bewohner des Asylzentrums war das eine Überraschung. Denn anderswo in der Schweiz gelten andere Regeln. Ein junger Tibeter, der für seine tägliche Runde über den Fluss Reuss aufbricht, erzählt: »Wir haben im Zentrum keinen Fernseher, keine Unterhaltung. In Basel haben wir sogar Rabatt fürs Schwimmbad bekommen, hier dürfen wir nicht einmal hinein.« Die Leute in Bremgarten seien sehr nett zu den Asylsuchenden, er werde oft gegrüßt. Aber nicht von allen. Ein Spaziergänger ruft im Vorbeigehen: »Die sollen bleiben, wo sie sind!« Mehr will er nicht sagen.

Das Bundesamt für Migration (BFM), das für das Zentrum zuständig ist, will sich nicht äußern. Dabei geht die umstrittene Hausordnung auf eine Absprache des BFM mit der Gemeinde Bremgarten zurück. Vereinbart wurde, dass die Asylbewerber die Schul- und Sportareale, wozu auch das Freibad gehört, nicht ohne Zustimmung der Gemeinde betreten dürfen. Dazu will nun auch der Bremgartner Stadtammann (Bürgermeister) Raymond Tellenbach nichts sagen - oder nur noch in Absprache mit dem BFM.

Absprache ist hier das richtige Stichwort - vielmehr der Mangel daran. Stefan Frey von der Flüchtlingshilfe Schweiz erklärt: »Die Kommunikation nach außen war miserabel. Außerdem wurden diese Menschen unter einen Generalverdacht gestellt, wonach man davon ausging, dass sie sich gesetzwidrig verhalten werden.« Die lokalen Behörden hätten mit den »sensiblen Zonen« ein Unbehagen bekämpfen wollen, das es so nie gegeben hatte. »Die Stimmungslage in der Bevölkerung war gar nicht schlecht. Man war offen gegenüber den maximal 150 Menschen«, sagt Frey. Das Verbot verletze Grundrechte der sich legal in der Schweiz aufhaltenden Menschen.

Der Medienrummel und der indirekte Vorwurf der Ausländerfeindlichkeit belastet die Bremgartner. Der ältere Herr im Wohnwagen wollte als gutes Beispiel vorangehen und den Ankömmlingen alte Spielzeugautos seiner Söhne schenken. Man hat ihn ohne Begründung wieder weggeschickt.

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