Eiszeit in Ostasien

Japans rechter Regierungschef Abe setzt auf die nationalistische Karte

  • Olaf Standke
  • Lesedauer: 3 Min.
Das politische Klima im ostasiatischen Raum ist nicht gut, vor allem in den japanisch-chinesischen Beziehungen herrscht Eiszeit. Und man muss kein Hellseher sein, um zu prognostizieren, dass es sich heute weiter verschlechtern wird.

Traditionell pilgern am 15. August auch führende Tokioter Politiker aus Anlass des Jahrestags der japanischen Kapitulation im Zweiten Weltkrieg zum umstrittenen Yasukuni-Schrein für die Kriegstoten des Landes. Scharfe Proteste aus Peking und Seoul sind programmiert, denn dort werden auch verurteilte Kriegsverbrecher geehrt, die unendliches Leid in China und auf der Koranischen Halbinsel hinterlassen haben.

Dabei hat der neu entfachte Streit um die japanisch Senkaku und chinesisch Diaoyu genannten Felseninseln im Ostchinesischen Meer das Verhältnis zwischen den Wirtschaftsgroßmächten China und Japan ohnehin stark angespannt. Schon vergangenen September gab es eine massive Zuspitzung rund um das etwa 200 Kilometer vor der Küste Taiwans und 400 Kilometer von der japanischen Insel Okinawa entfernt liegende Archipel in fisch- und vermutlich auch öl- und gasreichen Gewässern. Damals hatte Japan mehrere der Inseln, die auch von Taipeh beansprucht werden, verstaatlicht. Mit Südkorea streitet sich Tokio ebenfalls über Gebietsfragen.

Selbst vor der Gefahr eines militärischen Konflikts warnen jetzt manche Beobachter. Inzwischen stellt Peking auch mit Patrouillenfahrten im Ostchinesischen Meer die Kontrolle Japans über die Inseln in Frage. Gleichzeitige Gesprächsvorschläge hinter den Kulissen habe die Regierung in Tokio aber leichtfertig ignoriert, so der japanische Politologe Prof. Kazuhiko Togo dieser Tage. Verschärft wurde der Konflikt zuletzt zudem durch die Präsentation des größten japanischen Kriegsschiffes seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Der 248 Meter lange Helikopterträger »Izumo« soll im Fall der Fälle auch im Inselstreit eingesetzt werden.

Als Ministerpräsident Shinzo Abe seinerseits Ende Juli einen Gipfel mit Staats- und Parteichef Xi Jinping anregte, erhielt er prompt eine deutlich Abfuhr. Auch ein Treffen am Rande des G20-Gipfels der führenden Industrie- und Schwellenländer Anfang September in St. Petersburg sei »unwahrscheinlich«.

In Peking verfolgt man den Kurs des jüngst durch einen Wahlsieg im Oberhaus gestärkten rechtskonservativen Regierungschefs mit großem Misstrauen. Abe versteht ihn als Mandat für seine nationalistische Agenda samt Revision der Nachkriegsverfassung, vor allem von Artikel 9, der dem Land Krieg und Streitkräfte untersagt. Seine Liberaldemokraten wollen die Festlegung auf eine pazifistische Außenpolitik, die seinerzeit auf Druck der Besatzungsmacht USA eingeführt worden war, abschaffen. Auch Japan müsse das Recht auf Umwandlung seiner sogenannten Selbstverteidigungskräfte in eine »normale« Armee und auf kollektive Selbstverteidigung haben. Bei einer Sitzung des Ausschusses zur Überprüfung des Atomwaffensperrvertrags in Genf hatte Tokio im April im Unterschied zu 80 anderen Staaten mit Hinweis auf die nukleare Bedrohung durch Nordkorea selbst seine Zustimmung zu einer Erklärung verweigert, mit der Kernwaffen als unmenschlich gebrandmarkt werden.

Abe - dessen Großvater Nobosuke Kishi nach dem Zweiten Weltkrieg von den Alliierten zwar als mutmaßlicher Kriegsverbrecher verhaftet, aber nie verurteilt wurde und Ende der 50er Jahre sogar zum Ministerpräsidenten aufstieg - lehnte es bisher ab, Japans Kolonialkriege in Asien als Aggression zu werten. Und ließ offen, ob er heute den Yasukuni-Schrein besuchen werde.

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