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Koalition der Unwilligen
Karl Kopp über die Flüchtlingspolitik der EU
Das Sterben an den EU-Außengrenzen geht unvermindert weiter. Die Haftlager in Griechenland, Malta und anderswo an Europas Grenzen sind voll, die Lebensbedingungen unerträglich. Proteste und Suizidversuche sind an der Tagesordnung - die Entrechtung der Schutzsuchenden wird auch noch weitgehend von der EU finanziert.
Angesichts der größten Flüchtlingskatastrophe in den letzten 40 Jahren verweigert sich Europa weiterhin aktiv die Aufnahme von syrischen Schutzsuchenden zu betreiben. Der Club der mittlerweile 28 EU-Mitgliedsstaaten besitzt keinen politischen Willen, Solidarität und Menschlichkeit zu beweisen. Sechs Millionen Menschen in Syrien sind bereits vertrieben, zwei Millionen bereits in die Nachbarstaaten geflohen. Was macht die EU? Sie erhöht die humanitäre Hilfe vor Ort und appelliert an die Nachbarstaaten, ihre Grenzen »offen zu lassen« - Europa jedoch macht seine dicht.
Das kleinste EU-Land, Malta, versucht Anfang Juli Bootsflüchtlinge, ohne ihr Schutzgesuch zu prüfen, postwendend nach Libyen zurückzuschicken. In letzter Minute verhindert dies der Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg. Anfang August weisen Italien und Malta den Tanker Salamis, der vorher 102 Flüchtlinge aus Seenot gerettet hatte, an, die Flüchtlinge nach Libyen zurückzubringen. Der Kapitän und die Crew verweigern diesen Auftrag zum Völkerrechtsbruch, denn es gibt keinen »sicheren Hafen« für Flüchtlinge in Libyen. Das diplomatische Tauziehen dauert drei Tage. Am 7. August treffen die 102 Flüchtlinge der Salamis auf Sizilien ein. Zuvor hatte Malta das Schiff am Einlaufen gehindert. Für die betroffenen Flüchtlinge geht ein Martyrium zu Ende.
Doch der zynische Kompetenzstreit in Europa über die Seenotrettung und die Aufnahme geretteter Flüchtlinge droht weiterzugehen. Der harsche Umgang mit dem Schiff und der Crew der Salamis soll eine abschreckende Wirkung erzielen. In diesem Seegebiet sind in den letzten beiden Jahren circa 3000 Bootsflüchtlinge ertrunken. In zahlreichen dokumentierten Fällen, weil Polizei-, Militär- und kommerzielle Schiffe die Seenotrettung verweigert hatten. Das Drohszenario gegenüber der Salamis sendet erneut eine fatale Botschaft an andere Schiffsbesetzungen aus: Schaut weg, fahrt weiter und erspart Euch die Probleme im Umgang mit Schiffbrüchigen.
Schutzsuchende werden völkerrechtswidrig auch an der griechisch-türkischen Grenze zurückgewiesen, ertrinken in der Ägäis - etwa 300 Menschen allein in den letzten zwölf Monaten. Wer lebend in Europa ankommt wird unter erniedrigenden Bedingungen inhaftiert. Es fehlt an Essen, Bekleidung, adäquater medizinischer Versorgung und an menschenwürdigen Unterkünften. Alles, was in Griechenland an Flüchtlingsabwehr vonstatten geht, wird von der EU finanziert. Von 2011 bis Ende 2013 fließen circa 230 Millionen Euro für die effiziente Grenzschließung, den Bau neuer Haftanstalten für Flüchtlinge und den Abschiebungsbereich nach Athen. Lediglich knapp zwölf Millionen Euro erhält das kleine Land für die menschenwürdigere Aufnahme von Schutzsuchenden.
Was tun? Um das Sterben im Mittelmeer und in der Ägäis zu beenden, müssen legale und damit gefahrenfreie Wege für die gestrandeten Schutzsuchende in Libyen, in der Türkei und anderswo eröffnet werden. Statt neuer Haftanstalten, muss Europa endlich menschenwürdige Unterkünfte in Griechenland finanzieren. Den Flüchtlingen muss dann das Recht gewährt werden, legal zu ihren Verwandten in Europa weiterzureisen. Dies wäre ein Akt der Menschlichkeit gegenüber den Schutzsuchenden und eine Geste der Solidarität gegenüber Staaten mit EU-Außengrenzen wie Malta und Griechenland.
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