Überforderte Eltern, quengelnde Kinder

Kritisches Einkaufen kann erlernt werden - am besten in der Familie

  • Grit Gernhardt
  • Lesedauer: 3 Min.
Kinder sind den Verlockungen der Konsumgesellschaft oft hilflos ausgeliefert. Was Eltern dagegen tun können, erklärten Expertinnen in Berlin.

Vor dem Süßigkeitenregal an der Kasse liegt ein kreischender Vierjähriger, seine Mutter versucht mit allen Tricks, ihren Nachwuchs von den Überraschungseiern wegzulotsen. Die hinter ihr Stehenden schauen entweder betreten oder genervt, die Schlange wird immer länger ... Solche Situationen hat wohl fast jeder schon einmal erlebt. Mit Kindern Einkaufen ist oftmals eine stressige Angelegenheit, die viele Eltern lieber vermeiden würden. Sinnvoller wäre es aber, Kindern Fähigkeiten an die Hand zu geben, mit deren Hilfe sie lernen, Werbelügen zu erkennen, gesundes von ungesundem Essen zu unterscheiden und verantwortungsvoll mit Geld umzugehen.

Wie das zu bewerkstelligen sein könnte, war am Montagabend Thema einer Podiumsdiskussion im Kindermuseum MACHmit! in Berlin. Die vier Expertinnen hatten jeweils einen unterschiedlichen Zugang zum Thema: Sabine Toepfer-Kataw (CDU) sprach sich als Staatssekretärin im Berliner Verbraucherschutzministerium und Mutter dafür aus, Kinder zu kritischen Verbrauchern zu erziehen. Es sei egal, ob jemand, wie ihre 16-jährige Tochter, zur Vegetarierin werde oder wie ihr 78-jähriger Vater Dosenravioli esse - wichtig sei die bewusste Entscheidung für die eine oder andere Lebensweise.

Diese bewusste Entscheidung zu treffen, sei aber bereits für Erwachsene nicht einfach, wie Jessica Fischer betonte. »Man hat nur die Wahl, wenn man weiß, worauf man achten soll«, sagte die Mitarbeiterin der Verbraucherzentrale Berlin. Viele Packungsangaben seien unverständlich und die Supermärkte manipulierten die Kunden mit Hilfe von Licht, Musik und der Warenplatzierung. Verbraucherzentralen, Schulen und Kitas könnten zur Aufklärung beitragen. Doch selbst wer informiert sei, verfalle beim Einkaufen oft in falsche Muster, denn etwa 80 Prozent aller Kaufentscheidungen würden gefühlsmäßig getroffen.

Kinder erliegen den Verführungen der Konsumgesellschaft noch leichter. Bestes Beispiel: Die »Quengelkassen«, an denen strategisch günstig Süßigkeiten platziert sind. Die waren der Bloggerin und Autorin Caroline Rosales schon lange ein Dorn im Auge - sie startete eine Petition. Innerhalb einer Woche sammelte sie per Internet 700 Unterschriften, die sie dem örtlichen Supermarkt übergab. Mit Erfolg: Zwei Kassen sind seitdem süßigkeitenfrei.

Besonders gespannt dürften die Besucher der Diskussion auf die Ausführungen der aus dem TV-Format »Die Super Nanny« bekannten Pädagogin Katia Saalfrank gewesen sein. Ihre überzeugend vorgebrachte Eingangsbemerkung »Ich hasse Einkaufen!« sorgte für Erheiterung. Tipps für konkrete Situationen hatte Saalfrank keine anzubieten, es gelte aber immer der Grundsatz, die Kinder zu begleiten, statt sie zu belehren. Dass Eltern beim Einkaufen auch mal überfordert seien, sei normal, sie sollten den Kindern aber konsequent und klar ein bestimmtes Verhalten vorleben. So gebe es in ihrem Haushalt ausschließlich Wasser zu trinken.

Überhaupt stand der Abend im Zeichen persönlicher Erlebnisse. Immer wieder kitzelten die beiden Moderatoren des Berliner Finanzerziehungsunternehmens Brick- lebrit Erfahrungen mit Einkaufen, Taschengeld oder Kinderlebensmitteln sowohl aus dem Publikum als auch aus den Podiumsteilnehmerinnen heraus. Fazit der angeregten Diskussion: Eltern sind die wichtigsten Ansprechpartner der Kinder, wenn es um Geld und den Umgang mit Konsumgütern geht. Agieren sie als kritische Verbraucher, kann auch ihr Nachwuchs diese Haltung erlernen - auch wenn der Weg dahin manchmal nur über Stress an der Supermarktkasse führt.

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