Wettpate Dan Tan verhaftet

Betrug im Fußball: Manipulation von Länderspielen und Partien der Champions League

  • Tom Mustroph
  • Lesedauer: 4 Min.
Interpol nennt die Verhaftung des Wettpaten Dan Tan in Singapur »einen wichtigen Schritt, um ein internationales Wettbetrugssyndikat zu zerschlagen«. Nicht nur der Chefermittler der FIFA bewertet dessen Rolle allerdings als »überbewertet«.

Die Polizei in Singapur bewegt sich doch. Jahre lang hatte der mutmaßliche Wettpate Dan Tan den Fahndern, die auf seiner Spur waren, aus dem sicheren Singapur eine Nase drehen können. Der südostasiatische Inselstaat war den internationalen Rechtshilfeabkommen nicht beigetreten. Jetzt ist zumindest dieser Posse ein Ende bereitet. Tan wurde am Dienstag in Singapur verhaftet.

Nach einer Lehrzeit im lokalen Fußball hatte der 49-Jährige sich vor allem im internationalen Fußball betätigt. Das brachte ihm Anklagen bei Verfahren in Ungarn und Italien ein. Mittelsmänner von ihm tauchten auch in den Ermittlungen der Bochumer Staatsanwaltschaft zu den Betrugsversuchen in der Bundesliga auf. Dan Tan selbst prahlte gegenüber verschiedenen internationalen Medien mit Gewinnen in Millionenhöhe in einzelnen verschobenen Spielen. Sein früherer Kompagnon Wilson Raj Perumal hatte erzählt, dass die Gruppe um Dan Tan sich den Weltmarkt regelrecht aufgeteilt und Verantwortliche auf allen Kontinenten hatte.

Belegt sind neben den Manipulationen in Europa auch solche im afrikanischen Fußball, in Süd- und Mittelamerika sowie in Asien. Dabei handelt es sich um Spiele in nationalen Ligen, Partien in der Europa League und Champions League sowie Länderspiele, darunter auch solche aus Qualifikationen zu Welt- und Kontinentalmeisterschaften. Ein großer Teil der 380 Spiele, die laut Mitteilung der europäischen Polizeibehörde Europol in den letzten Jahren allein im europäischen Fußball manipuliert gewesen sein sollen, wird Dan Tans Kartell zugeordnet.

Am Dienstag wurde der Boss mit weiteren 13 Komplizen im Rahmen einer zwölfstündigen Razzia in Singapur festgenommen. Dies bestätigte am späten Mittwoch eine Pressemitteilung von Interpol. Ronald K. Noble, Interpol-Generalsekretär, bezeichnete die erfolgreiche Operation als »einen wichtigen Schritt, um ein internationales Wettbetrugssyndikat zu zerschlagen«.

Ein Umdenken der Singapurer Behörden, die bis dato als »unkooperativ« gegolten hatten, deutete sich bereits zu Beginn dieses Jahres an. Im Februar gründete der asiatische Fußballverband unter starker Beteiligung Singapurs eine Task Force gegen Wettbetrug. Ebenfalls im Februar wurde nach einem Tipp der Singapurer Polizei der frühere slowenische Fußballprofi Admir Suljic auf dem Mailänder Flughafen festgenommen. Er gilt als Mitglied der Führungszentrale von Dan Tans Betrugsunternehmen und ist in Italien der Manipulation von Spielen der Serie A zwischen 2008 und 2011 angeklagt.

Im März fand in Lyon ein Koordinierungstreffen zwischen Interpol, europäischen Ermittlern und ihren Singapurer Kollegen statt. Dies alles scheint nun Früchte getragen zu haben. Ob Dan Tan an die Staaten ausgeliefert wird, die ihn mit internationalem Haftbefehl suchen, ist derzeit aber nicht klar. Immerhin soll er Interpol zufolge weiterhin in Haft sein, während neun andere Festgenommene aus der Razzia vom Dienstag mittlerweile auf Kaution freigelassen wurden. Singapurs Gesetze ermöglichen eine Untersuchungshaft bis zu einem Jahr.

Ob die Bedrohung durch Wettmanipulationen mit Dan Tans Festnahme ein Ende hat, darf freilich bezweifelt werden. Die Versuchung, über Sportwetten Geld zu waschen und bei »sicherer Anlage« die Gewinne noch zu erhöhen, ist vor allem für kriminelle Organisationen groß. Der frühere Chefermittler der FIFA, Chris Eaton, schätzte den Anteil des durch Spielmanipulationen verdienten Gelds auf »zwei oder drei Prozent des Umsatzes des gesamten Wettmarkts«. Das könnte ein Syndikat allein kaum leisten. Eatons Nachfolger bei der FIFA, Ralf Mutschke, hält denn auch Dan Tans Rolle im Wettbetrugsszenario für »überbewertet«. Er sei »nicht so involviert wie alle dächten« und hätte nur »symbolische Bedeutung«, sagte Mutschke. Und tatsächlich erzählten Interpol-Ermittler »nd« im Frühjahr, dass es allein in Singapur »vier, fünf weitere Schlüsselfiguren des Wettbetrugsmarktes von der gleichen Bedeutung wie Dan Tan« gebe.

Dass nicht einmal Polizeigewahrsam Wettpaten von ihrem Geschäft abhalten kann, offenbarte sich jüngst bei Dan Tans Landsmann Perumal. Der steht zwar seit Februar 2011, als er von Dan Tan wegen interner Konflikte an die Behörden verraten worden war, unter Aufsicht der Gesetzeshüter. Nach Abbüßung einer Haftstrafe in Finnland passt nun die ungarische Polizei auf ihn auf. Dennoch hat er nach Angaben der australischen Polizei über Mittelsleute Spiele der zweiten australischen Liga manipuliert. Letztes Wochenende wurden in diesem Zusammenhang 10 Personen festgenommen.

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