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Energienetz bald in Bürgerhand

Hamburger stimmten über Rückkauf der Strom- und Gasversorgung ab

  • Folke Havekost und Volker Stahl, Hamburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Am Sonntag stimmten die Hamburger auch über die Rekommunalisierung der Stromnetze ab. Mit Erfolg.

Prominente Rücktritte gab es keine, aber die Hamburger beschäftigten sich auch am Tag danach mit dem Ergebnis des Volksentscheids, die Energienetze zurück in die öffentliche Hand zu legen. 50,9 Prozent der ca. 870 000 Wähler sprachen sich für einen Rückkauf der Netze von Vattenfall und E.on Hanse aus. Eine Niederlage für Bürgermeister Olaf Scholz (SPD), der sich mit CDU und FDP für ein Nein ausgesprochen hatte.

»Das ist ein Meilenstein für die direkte Demokratie«, jubelte Manfred Braasch, BUND-Landeschef und führender Kopf der Initiative »Unser Hamburg - Unser Netz« (UHUN). »Die Menschen dieser Stadt lassen sich weder einschüchtern noch hinter die Fichte führen«, freute sich auch LINKEN-Fraktionschefin Dora Heyenn. Michael Westhagemann vom Indus- trieverband warnte dagegen vor einer »langen und riskanten Phase mit Planungsunsicherheit«.

»Die SPD ist in dieser Frage offenbar viel tiefer gespalten, als es der Bürgermeister zugegeben hat«, sagte CDU-Fraktionschef Dietrich Wersich. Denn die Ergebnisse zeigen, wo die SPD gut abschnitt, gab es auch viel Zustimmung zum Rückkauf. Eine Umfrage vor zwei Wochen verhieß den Gegnern noch einen Vorsprung von vier Prozentpunkten. Doch im Endspurt machte das von Grünen und LINKEN unterstützte Bündnis aus Umweltschützern, Verbraucherzentrale, Diakonie und Mieterverbänden Boden gut.

Von Anspannung zu Ausgelassenheit

Die UHUN-Feier entwickelte sich am Sonntagabend von Anspannung zu Ausgelassenheit. Nach dem ersten Auszählungsstand lag das Nein mit 50,3 Prozent knapp vorne, aber bald zeigte sich ein Trend zugunsten des Rückkaufs. Um 23:07 Uhr kündigte Kampagnenleiterin Wiebke Hansen Sekt für alle an. Zuvor hatte sie Boxhandschuhe überreicht bekommen, ein passendes Präsent angesichts des manchmal rauen Diskussionsklimas.

Für Scholz birgt die Niederlage die Chance, als der Bürgermeister in die Stadtgeschichte einzugehen, der Hamburg fit für die Energiewende gemacht hat. »Dem Votum sieht sich der Senat verpflichtet«, sagte Scholz. Den Volksentscheid werde er »nicht ins Leere laufen lassen«. Einige Hürden sind bis zur Rekommunalisierung noch zu überspringen, bereits am Mittwoch berät die Bürgerschaft. »Wir wollen den Volkswillen ordentlich umsetzen«, bekräftigte aber SPD-Fraktionschef Andreas Dressel.

Falls Vattenfall und E.on - wie vermutet wird - nicht bereit sein sollten, ihre 74,9 Prozent Netzanteile an die Stadt zu veräußern, müsste zunächst der vor zwei Jahren geschlossene Vertrag zur 25,1-prozentigen städtischen Beteiligung, für die Hamburg 543 Millionen Euro ausgab, abgewickelt werden. Um den haushaltsneutral finanzierbaren Kaufpreis für die Komplettübernahme dürfte zwischen Stadt und Energieunternehmen hart gerungen werden. Bürgermeister Scholz kalkulierte etwa zwei Milliarden Euro Kosten, dies wurde von den Befürwortern als überhöht bezeichnet.

Wichtiges Signal

Parallel wird eine städtische Netzbetriebsgesellschaft gegründet, die sich in einem europaweiten Verfahren um die Konzessionen bewirbt. Strom und Fernwärme werden 2014 neu ausgeschrieben, das Gasnetz 2016. Über die Formulierung der Ausschreibung besäße die Stadt gute Aussichten, dass eine eigene Netzgesellschaft den Zuschlag bekommt - wogegen erfolglose Bewerber allerdings klagen könnten.

Der Berliner Energietisch wertete am Montag das Hamburger Abstimmungsergebnis als wichtiges Signal: »Wir werden nun alles daran setzen, dass wir am 3. November ebenfalls erfolgreich sind«, sagte der Sprecher des Bündnisses, Stefan Taschner. Der Energietisch strebt eine Rekommunalisierung des Stromnetzes und die Gründung von Stadtwerken an, die nur Ökostrom produzieren. Bisher gehört das Stromnetz Vattenfall.

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