Reichlich Gesprächsbedarf

Andrea Ypsilanti: Die SPD muss ihr Verhältnis zur Linkspartei klären

  • Lesedauer: 4 Min.
Andrea Ypsilanti war bis 2009 Vorsitzende der SPD in Hessen. Aufgrund innerparteilicher Widerstände gelang es ihr 2008 nicht, eine rot-grüne Minderheitsregierung unter Tolerierung der Linkspartei zu bilden. Ypsilanti wird dem linken Flügel ihrer Partei zugeordnet. Mit ihr sprach Christian Klemm.

nd: Frau Ypsilanti, Hessen hat vor wenigen Tagen gewählt. Freut es Sie, nicht an der Stelle von Parteichef Thorsten Schäfer-Gümbel zu sein?
Ypsilanti: Ich bin froh, mögliche Koalitionsgespräche nicht noch einmal in der ersten Reihe führen zu müssen. Die gescheiterte Regierungsbildung 2008 war Stress pur, das muss ich nicht unbedingt ein zweites Mal haben.

Die berühmten »Hessischen Verhältnisse« ohne klare Mehrheiten sind zurück. Warum herrscht in Ihrem Bundesland dieses politische Durcheinander?
So ist halt das Wählervotum. Außer 2009 waren in Hessen die Wahlergebnisse in den vergangenen Jahren immer äußerst knapp. Es war auch dieses Mal vorauszusehen, dass es knapp wird.

Ohne die Sozialdemokraten wird es mit einer Regierungsbildung schwierig. Mit wem sollte Ihre Partei über eine Koalition verhandeln?
Thorsten Schäfer-Gümbel hat seinen Anspruch auf politische Gestaltung angemeldet - und das zu Recht. Im Vergleich zur letzten Landtagswahl vor vier Jahren hat die hessische SPD ein gutes Ergebnis eingefahren. Wir sollten uns für Koalitionsgespräche ausreichend Zeit nehmen. Als ich 2008 an der Parteispitze stand, gab es eine enorme Drucksituation, eine Regierung auf die Beine zu stellen. Die aktuelle Legislaturperiode geht noch bis Januar 2014. Wir müssen uns nicht hetzen.

Es gibt eine Mehrheit des linken Lagers. Wird die SPD in Hessen Koalitionsgespräche mit der LINKEN führen?
Der Parteivorsitzende wird mit allen im Landtag vertretenden Parteien Gespräche führen - auch mit der Linkspartei. Das finde ich richtig. Bereits jetzt steht meine Partei im Meinungsaustausch mit den Grünen. Die Gespräche führen jedoch die Spitzengenossen, ich bin da nicht eingebunden.

Ist für Sie die Tolerierung einer rot-grünen Minderheitsregierung durch die LINKE denkbar?
Denkbar ist eigentlich alles. Wichtig ist, dass es eine stabile Regierung gibt. Ich war immer jemand, der gesagt hat, Regierungskoalitionen schiebt man nicht mit dem Taschenrechner zusammen. Das gilt für die Verabredung über gemeinsame politische Projekte genauso. Wenn man sich die Wahlprogramme anguckt, weiß man, dass es mit der einen Partei leichter ist, eine Koalition zu bilden, als mit der anderen. Außerdem müssen die Menschen, die miteinander regieren wollen, gut mitein-ander arbeiten können. Das gilt es jetzt auszuloten.

Ist es nicht töricht, eine Mehrheit links der Mitte zu verschenken - und dadurch die CDU weiter an der Macht zu halten?
Nur weil es rechnerisch reicht, können wir nicht sagen, jetzt machen wir dieses oder jenes. Für eine Koalition ist zum Beispiel ein Regierungsprogramm notwendig. Das alleine setzt schon schwierige Verhandlungen voraus. Natürlich ist es so, dass wir mit Grünen und LINKEN in Sachen Bildung, Soziales und Ökologie große Schnittmengen haben. Das aber reicht nicht aus.

Wie will die SPD dem Wähler erklären, dass sie - durch einen Verzicht auf Rot-Rot-Grün - seinem Willen auf politische Veränderung nicht entsprechen möchte?
Wir wissen bisher nicht, was am Ende von Verhandlungen für eine Landesregierung rauskommt. Deshalb sehe ich meine Partei gegenüber den Wählerinnen und Wählern im Moment nicht in Erklärungsnot.

Ihre Partei scheut sich vor einem rot-rot-grünen Projekt. Warum eigentlich?
Die SPD hat ihr Verhältnis zu der Linkspartei grundsätzlich nicht geklärt. Das muss sie schleunigst tun. In den vergangenen Jahren ging es immer darum, die Abgrenzung zu ihr zu suchen, das Trennende herauszustellen. Wo liegen die Knackpunkte? Was hält uns wirklich davon ab, eine linke Mehrheit umzusetzen? Darauf muss die Sozialdemokratie Antworten finden. Für solche neuen Konstellationen ist eine Vertrauensbasis nötig, eine Perspektive, dass man zusammen regieren kann. Dafür braucht es einen Annäherungsprozess, der schon vor Jahren hätte stattfinden müssen. Es fehlt an Strukturen und Netzwerken für ein solches Projekt.

Schwarz-Rot ist sowohl in Hessen als auch im Bund machbar. Wie stehen in Ihrem Bundesland die Chancen dafür?
Auf Bundesebene ist es eindeutig, dass Schwarz-Rot von der Parteibasis nicht gewollt ist. Nach dem, was wir bisher in den Parteigremien diskutiert haben, ist eine Koalition mit der CDU auch in Hessen für die meisten in der Partei keine Option.

Wenn die Sozialdemokraten in Hessen an der nächsten Landesregierung beteiligt sein sollten, welches Ministeramt hätten Sie dann gerne?
Ich würde nicht in ein Ministeramt eintreten. Das kann ich Ihnen heute schon versichern.

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