Eva und der Schatz
Eva-Maria Hagen / Peter Hacks: »Liaison amoureuse«
Am 23. Februar 1990 notierte der Dichter Peter Hacks unter der Überschrift »Auskünfte zur Person«: »P.H. hat, sein Eheweib Anna Elisabeth Wiede ausgenommen und vorausgesetzt, drei Frauenspersonen geliebt: Eva-Maria Hagen, Sibylle Belicke und Karin Gregorek. Andere Frauen mögen mehr und überzeugendere schriftliche Beweise seiner Zuneigung vorlegen können, aber andere Frauen hat er nicht geliebt.«
Eva-Maria Hagen hat jetzt, 50 Jahre nach ihrer »Liaison amoureuse« mit dem jungen Dichter und zehn Jahre nach dessen Tod, Zeugnisse dieser Liebschaft in einem Büchlein gebündelt. Als sie, nun fast 80, »beim Räumen und Sortieren« auf jene Blätter stieß, die noch nach einem halben Jahrhundert strahlen vor Leidenschaft, dachte sie: »Mensch, das sind aber schöne Briefe, die nicht vom Reißwolf zerschreddert werden oder in den Altpapiercontainer kommen dürfen.« Im Literaturarchiv Marbach fand sie die Gegenstücke, geschrieben von ihrer Hand, als die noch glatt wie Seide war. Die Sängerschauspielerin, Muse manchen Künstlers, Biermanns Geliebte und Traumfrau vieler Zuschauerherzen, zeigt sich erfreut, den Lesern den Blick zu eröffnen »in einen lieblich duftenden, üppig blühenden … verblühenden Garten der Lüste«.
Liaison amoureuse. Eulenspiegel Verlag. 96 S., Leinen, 17 €.
Zur Besichtigung angelegt, gehegt und gepflegt hat die Hagen den Garten selbst. Inmitten ihrer lebenslustig-todesnahen »Traumbilder in Öl« und kommentierender Passagen, zwischen schwarz-weißen Fotos, die die Liebenden in der prallen Blüte ihrer Jahre zeigen, durchbrochen durch maschinengehackte »Informationsberichte« staatlicher Voyeure, in schönste Ordnung gebracht durch Hacks’sche Dichtungen, seinem »Liebling« Maria (und deren blanker Schulter) zugedacht, duften insbesondere die Briefe gleichsam nach einem Gewölk aus Geilheit und Geist: Mohngewächse, die schwindeln machen.
Hagen an Hacks, ihren »lieben schönen Schatz«: »Wie sehn› ich mich - verdammt - nach jenen schönen Spielen, die Dir soviel Zerstreuung boten oder - Freude gar?« Hacks an Hagen: »Schläfst Du gut?, bedenke, je länger Du schläfst, desto mehr träumst Du, und Träume, sagt Lenin, sind sozialistisch, vorausgesetzt man ist entschlossen, all die Schweinereien in absehbarer Zeit wirklich zu machen.« Hagen an Hacks: »Ich fühle mich noch in Deiner Umarmung, so zart war sie, so süß - so tief warst Du in mir.« Hacks an Hagen: »Es gibt Häuser, die sehen von außen sehr stattlich und respektabel aus, aber ihr Inneres ist längst von den Termiten gefressen, ihre Zimmer sind leer, ihre Balken hohl, und wenn man sie mit dem Finger antippt, krachen sie zusammen; so ein Haus bin ich. Weil, was in mir war, ist in Dir ...«
Im Hause Hacks saß indessen Anna Elisabeth Wiede, Dichters Ehefrau von frühster Jugend bis zum Tod. Wer war diese Frau, die alles wusste, alles duldete und noch lächelnd Tee servierte, wenn die Bettgefährtinnen des Gatten zu Besuch kamen? Über sie würde man gern mehr erfahren. Ein paar Sätze widmet Hagen »dieser klugen und selbstbewussten Intellektuellen«: »Ach, sie war wunderbar und zu beneiden im positiven Sinne ...«
1998 erschien Hagens Buch über ihre Zeit mit Biermann und die gesellschaftlichen Verwerfungen, die sich darin verweben sollten bis zum Bruch der DDR mit ihrem Star, bis zum Bruch des Stars mit dem Staat: »Eva und der Wolf«. Nach der Biermann-Ausbürgerung bat Hagen auch Hacks um eine Protestunterschrift. Der verweigerte, laut André Müller sen. (»Gespräche mit Hacks 1963-2003«) mit den Worten: »Ihr kennt doch meine Meinung gegen Biermann und daß ich ihn seit Jahren für einen Konterrevolutionär halte. Weshalb sollte ich jetzt, wo er entsprechend behandelt wird, meine Meinung ändern?« Hagen in »Eva und der Wolf«: »Ich war deprimiert und traurig über seine Haltung, sagte zum Schluß: Wie böse du geworden bist. Er knurrte grimmig, mir würden noch die Augen aufgehen. - Und war mir doch einst von Herzen zugetan, ach nein, von anderer Stelle wohl eher.«
»Die Vögel zwitschern sicher auch auf Deinem Dach, verzeih, Du bist ja nicht so für Natur«, hatte die Liebende einst an den Geliebten geschrieben. Wenn sie sich da mal nicht irrte.
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