Rockerclubs und Nazis Hand in Hand

Berliner Polizei ist eine strategische Zusammenarbeit nicht bekannt

  • Paul Liszt
  • Lesedauer: 4 Min.

Verbindungen zwischen Neonazis und Rockerclubs sind aus Rechercheveröffentlichungen von antifaschistischen Gruppen und Fachjournalisten schon länger bekannt. Gemeint sind dabei solche Clubs, die nach Schätzungen in Berlin bis zu 1000 Mitglieder haben, welche im Verdacht stehen, in kriminelle Aktivitäten verwickelt zu sein. Im Polizeijargon werden sie als »Outlaw Motorcycle Gangs (OMCG)« bezeichnet. Zu den großen Vertretern der Branche zählt neben den »Hells Angels« und den »Bandidos« der ebenfalls in Berlin ansässige, international agierende »Gremium MC«. Für Aufsehen sorgte diesbezüglich die kürzlich veröffentlichte Antwort von Innensenator Frank Henkel (CDU) auf eine kleine Anfrage des SPD-Abgeordneten Tom Schreiber. Darin hatte der Senator informiert, dass der Berliner NPD-Landesvorsitzende Sebastian Schmidtke 2012 und 2013 bei öffentlichen Veranstaltungen von »Gremium« gesichtet wurde. Dieser macht indes auf seiner Facebook-Seite kein Geheimnis aus seiner Sympathie für Motorradfahrer, »egal welche Farben sie tragen«. Allerdings: Erkenntnisse zu einer »strukturellen, strategisch angelegten Zusammenarbeit« von Rocker- und Neonaziszene lägen der Berliner Polizei nicht vor, schreibt Henkel weiter.

In seiner Antwort auf eine Anfrage der Innenpolitikerin Clara Herrmann (Grüne) aus dem vergangenen Jahr wurde der CDU-Politiker konkreter. Bei einer Auswertung für den Zeitraum 2007 bis 2010 seien in Berlin 40 Mitglieder der Rockerszene mit »Bezugsdelikten zur politisch motivierten Kriminalität - PMK rechts« festgestellt worden.

Als Treffpunkte, die von Rockern und Rechtsextremen gleichsam genutzt werden, wurden neben den Kneipen »Zum Eisenbahner« und »Zum Henker« das Clubhaus des »Gremium MC«-Chapters »Dark7side«, alle in Schöneweide, genannt. Ebenfalls in der Aufzählung findet sich der »Germanenhof« in Hohenschönhausen. Dieser befindet sich derzeit vor allem wegen eines Mordanschlages auf dessen Betreiber André S. in den Schlagzeilen. S., führender »Hells Angel«, ist in vielerlei Hinsicht kein unbeschriebenes Blatt. So bildete er jahrelang ein wichtiges Scharnier zwischen Rockern und rechten Hooligans. Zwischenzeitlich schaffte S. es bis in den Vereinsvorstand und bot in seiner Kneipe mit dem »Berliner Fußballcafé« der gewaltaffinen, rechten Fanszene des Fußballclubs »BFC Dynamo« ein Zuhause.

Fußballhooligans sind ein wichtiges Rekrutierungsfeld für die Rockerclubs. Diese gleichen großen Wirtschaftsunternehmen. Bei der Erschließung neuer Geschäftsfelder und dem Abstecken von Gebietsansprüchen sind sie auf schlagkräftiges Fußvolk angewiesen. Mit dem Versprechen der Aussicht auf eine spätere Mitgliedschaft werden die »Männer für das Grobe« in Vorfeldgruppierungen wie etwa der »Brigade 81« (81 = HA = »Hells Angels«) angelockt. Viele von ihnen kommen aus der Kampfsport- und Bodybuilderszene, aber auch aus der extremen Rechten.

Die Zugehörigkeit zu einem Rockerclub wird von Neonazis häufig als Aufstieg empfunden. Hinzu kommt der praktische Aspekt: Rechtsrockkonzerte kommen in Rocker-Clubhäusern unter und das Geschäft mit dem rechten Lifestyle lässt sich unter dem Dach der OMCGs wesentlich effizienter organisieren.

In Berlin ist vor allem das heute in der Schöneweider Edison- straße ansässige »Gremium«-Chapter in Verruf geraten. Die Gruppe kann auf lange gemeinsame Vergangenheit in der Neonaziszene zurückblicken. Ein Beispiel: Schon bevor das Chapter »Dark7side« 2005 offiziell in den »Gremium MC« aufgenommen wurde, diente als Treffpunkt der »Club Asgard« in Marzahn. Dieser war nach nd-Informationen zeitgleich Domizil der »Weißen Arischen Bruderschaft«, aus der die Band »White Aryan Rebels« hervorging. Gründer und Frontsänger war das heutige Führungsmitglied des Schöneweider »Gremium«-Ablegers Lars B. In den Texten der Band wurde offen zum Mord an Juden, Homosexuellen und Polizisten aufgerufen. B. saß deshalb 2002 in Untersuchungshaft.

Dass hinter den Worten auch der Wille zur Umsetzung steht, war deutlich geworden, nachdem B. 1995 in Norwegen festgenommen wurde, wohin er wegen eines offenen Haftbefehls geflüchtet war. Hintergrund war ein Angriff auf einen politischen Gegner in Prenzlauer Berg, bei dem das Opfer fast erblindete. Mit dabei war damals der spätere Berliner NPD-Vorsitzende Eckart Bräuniger.

Eine eher skurrile Randerscheinung sind in diesem Zusammenhang die »Vandalen«. Die aus der Ost-Berliner Heavy-Metal-Szene stammende Gruppierung wurde 1982 gegründet und ist im Bereich neonazistischer Musik aktiv. Mit ihrem Äußeren und ihrer Organisationsweise imitieren sie den Habitus von Rockern. Bekanntestes Projekt war die Band »Landser« um Michael Regner. Regner gilt bis heute als Anführer der »Vandalen«. »Landser« wurde 2003 als erste Neonazi-Band gerichtlich als kriminelle Vereinigung eingestuft und verboten. Keine der seit 1993 veröffentlichten fünf CDs war zuvor legal erhältlich. Die »Vandalen« sind bis in die jüngste Vergangenheit, zuletzt am 1. Mai bei einer NPD-Demonstration in Schöneweide, bei Neonazi-Aufmärschen präsent.

Laut Insidern gab es in Schöneweide zuletzt Bewegung in der Szene. Der Betreiber des »Zum Eisenbahner« habe zwischenzeitlich gewechselt. Das örtliche »Gremium«-Chapter sei nach Konflikten mit den rivalisierenden »Hells Angels« geschwächt. Nach nd-Informationen ist ihnen zudem der Mietvertrag für ihr Domizil in den Spreehöfen gekündigt worden.

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