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Doppelt grauer Wohnungsmarkt in Berlin
Möblierte Wohnungen verdrängen normale Mietwohnungen – Mieterverein fordert schärfere Kontrollen und mehr Personal
Mittlerweile greifen selbst Universitäten auf Ferienwohnungen zurück. Jüngst hat die TU Berlin mitgeteilt, dass sie zusammen mit der Ferienwohnungsplattform Airbnb ein gemeinsames Wohnstipendium ins Leben gerufen habe. 200 internationale Studierende werden mit einem Coupon von 1580 Euro unterstützt, mit dem sie über die Plattform eine temporäre Unterkunft finden können.
Aber geraten die Studierenden an legale Ferienwohnungen? Wird eine Wohnung als Ferienwohnung angeboten, muss dies genehmigt werden. Wenn das nicht passiert, gilt das als Zweckentfremdung und sie kann, sofern das von den zuständigen Bezirken festgestellt wird, dem regulären Wohnungsmarkt zugeführt werden. Doch die Kontrollen können leicht umgangen werden. Das ist eines der Ergebnisse einer Studie des Stadtforschers Armin Hentschel vom Institut für Stadtentwicklung, die im Auftrag des Berliner Mietervereins Kurzzeitvermietungen unter die Lupe genommen hat.
Private Anbieter von Ferienwohnungen müssten bei der Registrierung auf entsprechenden Plattformen nur angeben, dass sie gewerblich vermieten. So könne die Abfrage einer eigentlich notwendigen Registrierungsnummer umgangen werden, so die Studie. Die Bezirke stehen dem machtlos gegenüber. »Große und stark betroffene Bezirke wie Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg verfügen nicht über die personellen und technischen Ressourcen, um illegale Vermietungen flächendeckend zu ahnden«, so der Mieterverein in einer Mitteilung.
Für die Wohnungssuchenden auf dem angespannten Berliner Wohnungsmarkt spielt diese Frage eine untergeordnete Rolle. Gerade für Menschen in prekären Situationen gilt: Hauptsache, ein Dach über dem Kopf. Und immer mehr Menschen, die eigentlich auf der Suche nach einer langfristig zu mietenden Wohnung sind, greifen auf Ferienwohnungen oder andere befristete Wohnformen zurück.
»Wir haben es mit einem grauen Markt zu tun«, sagt Sebastian Bartels, Geschäftsführer des Mietervereins im Gespräch mit »nd«. In diesem würden die Grenzen zwischen klassischer Ferienvermietung und Wohnnutzung, also einem Bedarf auf Dauer, immer mehr verschwimmen. »Oft ist dieser Graubereich den Mietenden selbst nicht klar.«
Genauso unklar sind auch die gesetzlichen Regelungen, die Unterschiede festmachen könnten. Die Befristung eines Mietvertrages etwa ist nur mit einer Begründung möglich – und nur bis zu einer gewissen Dauer. Wie lange, das ist nicht gesetzlich geregelt. Gerichte finden unterschiedliche Antworten auf diese Frage. In Berlin gebe es Urteile, die eine Befristung bis maximal drei, vier oder sieben Monate für gerechtfertigt hielten, so Bartels. Für Mieter*innen kann das teuer werden: Für befristete Mietverträge gilt die Mietpreisbremse nicht.
Wiederum eine andere Problematik ergibt sich bei möbliert angebotenen Wohnungen. Für diese gilt zwar die Mietpreisbremse, allerdings kann für die Möblierung ein Zuschlag erhoben werden. Dieser wird jedoch – so die Erfahrung aus den Beratungen des Mietervereins – meist nicht korrekt angegeben. Auch hier ist nicht geregelt, wie dieser Möblierungszuschlag berechnet werden muss. Und das hat Folgen. Im Schnitt seien die Mieten mit 24 Euro pro Quadratmeter bei solchen Angeboten doppelt so hoch wie auf dem normalen Mietmarkt, berichtet Studienautor Armin Hentschel. »Das ist eine ordentliche Miete, gemessen an den Berliner Einkommen.«
»Die Menschen, die oft aus dem Ausland nach Berlin kommen und diese Angebote nehmen müssen, weil sie nichts anderes finden, die schwimmen in diesem grauen Wasser«, sagt Mieterverein-Geschäftsführer Bartels. Das allerdings nicht freiwillig. Armin Hentschel verweist auf eine Studie im Auftrag des Bundesjustizministeriums. Diese habe ergeben, dass ein großer Teil der Mieter*innen in möblierten Wohnungen lebe, weil sie unmöbliert nichts fänden.
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Der Markt ist noch dazu doppelt grau. Denn wie viele Ferienwohnungen, befristete oder möblierte Wohnungen es gibt, ist nicht bekannt. Studienautor Hentschel schätzt, dass es in Berlin 38 000 Ferienwohnungen gibt. Und möblierte Wohnungen? »Diese Zahl gibt es nicht«, sagt Hentschel. Dass es viele sind, ist allerdings klar. Laut Studie werden 40 Prozent aller Wohnungen nur noch möbliert inseriert.
Im Fall der Ferienwohnungen könnte eine EU-Verordnung Abhilfe schaffen. Ab April 2026 müssen EU-weit alle Ferienwohnungen registriert werden, unabhängig davon, ob sie gewerblich oder privat angeboten werden. Für eine bessere Kontrolle illegaler Ferienwohnungen müssten die Bezirke dennoch besser ausgestattet werden, fordert der Berliner Mieterverein. »Es braucht auf jeden Fall mehr Personal«, so Sebastian Bartels.
Um die Vermietung Ferienwohnungen unattraktiver zu machen, fordern Studie und Mieterverein darüber hinaus, dass Vermittlungsportale Übernachtungssteuer zahlen sollen. Und um möbliertes Wohnen einzuschränken, einen Genehmigungsvorbehalt für möbliertes Wohnen in Milieuschutzgebieten, wie ihn etwa der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg schon versucht umzusetzen. »Die möblierte Kurzzeitvermietung ist in Berlin nicht mehr zu bändigen und muss endlich an die kurze Leine genommen werden. Dafür braucht es öffentliche Kontrolle«, fordert Sebastian Bartels.
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