Berlin-Tegel: Zeitenwende auf der Startbahn

Verteidigungsministerium stoppt Umwandlung von Militärflächen für zivile Zwecke am Flughafen Tegel

Flugzeuge der Luftwaffe könnten bis in die 2040er auf Berliner Beton bei Bedarf verfügbar sein.
Flugzeuge der Luftwaffe könnten bis in die 2040er auf Berliner Beton bei Bedarf verfügbar sein.

Die Zeitenwende ist auf Berlins stillgelegter Startbahn am Flughafen Tegel angekommen. Die Bundeswehr hat die Umwandlung sogenannter militärisch genutzter Liegenschaften für zivile Zwecke ausgesetzt. Zu den insgesamt 200 betroffenen Liegenschaften gehört auch das Areal »Tegel Nord« am ehemaligen Flughafen im Bezirk Reinickendorf.

Bundesweit sind 187 inaktive militärische Liegenschaften, die sich im Eigentum der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) befinden, vom Umwandlungsstopp betroffen. Hinzu kommen 13 weitere, die die Bundeswehr noch betreibt. Dazu gehören etwa der ehemalige Fliegerhorst in Fürstenfeldbruck in Bayern sowie Teile des stillgelegten Flughafens Tegel. Dort hat die Bundeswehr seit den 90er Jahren Hubschrauber der Flugbereitschaft stationiert. Die vom Umwandlungsstopp betroffenen Areale sollen der Bundeswehr nun als »strategische Liegenschaftsreserve« dienen – also kurzfristig bei Bedarf.

Vor etwa einem Jahr hatte der Senat einen Bericht zur beschleunigten Verlegung der Hubschrauberstaffel des Bundes an den Flughafen Berlin-Brandenburg (BER) beschlossen. Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU) hatte dazu mitgeteilt, dass das Bundesverteidigungsministerium dem Senat gegenüber bestätigt habe, dass die Verlegung der Hubschrauberstaffel im ersten Quartal 2026 angestrebt werde. »Dass die Verlegung damit deutlich früher als ursprünglich geplant erfolgt, ist sehr zu begrüßen«, teilte Bonde im November 2024 mit.

Wie kommt es zum plötzlichen Umwandlungsstopp militärischer Flächen für zivile Zwecke? Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung teilt auf »nd«-Anrage mit, dass die Bundeswehr »aufgrund der Sicherheitslage und des notwendigen Aufwuchses der Streitkräfte das Land Berlin« informiert habe, »dass aus heutiger Sicht die Liegenschaft Tegel Nord noch bis in die 2040er Jahre teilweise vom Militär genutzt werden muss«. Einen Teil des Areals könne das Land Berlin allerdings schon zeitnah übernehmen, »etwa für Zwecke der Flüchtlingsunterbringung«, so der Sprecher der Verwaltung. Der Senat hatte dazu Verhandlungen mit der Bundeswehr geführt. In der neuen Geflüchtetenunterkunft sollen Medienberichten zufolge 2000 bis 3000 Menschen untergebracht werden.

Wann langfristig die übrigen Flächen überlassen werden können, hänge »von der Sicherheitslage und dem Bedarf der Streitkräfte ab«, so der Sprecher der Verwaltung. So sei verabredet worden, dass sich Bund und Land gegenseitig auf dem aktuellen Stand halten und bis Ende der 2030er Jahre Klarheit schaffen, ob und wann eine Übergabe an Berlin möglich sei.

»Die Ankündigung, dass Teile des Flughafens Tegel für militärische statt für zivile Zwecke genutzt werden, ist ein Schlag für Berlin.«

Michael Efler (Linke)
Stadtentwicklungspolitischer Sprecher

Das Bundeswehrareal auf dem stillgelegten Flughafen Tegel ist etwa 60 Hektar groß. »Wir sind uns der Tragweite der Entscheidung sehr bewusst und wissen, dass in vielen Fällen bereits Planungen bestehen, betroffene Flächen zivil zu nutzen«, teilt Nils Hilmer, Staatssekretär im Verteidigungsministerium laut der Deutschen Presse-Agentur mit.

Laut Stadtentwicklungsverwaltung sind von dem Umwandlungsstopp weder der geplante Wohnungsbau im Schumacher-Quartier noch die Urban Tech Republic und dortige Gewerbeentwicklungen betroffen. Auch Pläne für die Rettungsakademie der Berliner Feuerwehr und den Campus der Berliner Hochschule für Technik (BHT) bleiben unberührt.

Der Sprecher für Stadtentwicklung der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus Michael Efler spricht angesichts des Umwandlungsstopps von einem »Schlag für Berlin«. Als wachsende Stadt brauche Berlin »jede Fläche, die es kriegen kann«, so Efler gegenüber »nd«. Verdrängung von ziviler Nutzung zugunsten militärischer Zwecke sehe die Fraktion kritisch.

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Zudem merkt Efler an, dass auch geplanter Wohnungsbau von dem Umwandlungsstopp betroffen sein könnte, auch wenn die Stadtentwicklungsverwaltung davon ausgeht, dass die Pläne für das Schumacher-Quartier ungeachtet der Entwicklung voranschreiten können. »Das Land Berlin sollte nun mit dem Bund in Verhandlung gehen. Es sollte geprüft werden, was der Stopp der Umwandlung der Militärflächen für das geplante Stadtquartier bedeutet.«

Auch der Sprecher für Stadtentwicklung der Grünen im Abgeordnetenhaus Julian Schwarze weist darauf hin: »Für den Bereich TXL Nord war eine gemischte Quartiersentwicklung geplant. Zuletzt wurden je nach Planung 1000 bis 2000 neue Wohnungen genannt.« Wenn das Areal längerfristig militärisch genutzt werden sollte, habe dies auch Auswirkungen für die Entwicklung des gesamten Geländes des ehemaligen Flughafens Tegel. »Der schwarz-rote Senat muss jetzt transparent machen, was die Bundeswehrentscheidung der schwarz-roten Bundesregierung für Folgen für die Wohnungsbaupläne Berlins hat.«

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