Willkommen im Märchen

Robert D. Meyer über die Realität am Brandenburger Tor

  • Lesedauer: 1 Min.

Es dürfte wohl kaum einen Touristen geben, der während seines Berlinbesuchs nicht einen Abstecher an das Brandenburger Tor macht. Immerhin bietet der Pariser Platz im Schnelldurchlauf alles, was die Hauptstadt und respektive das Bild Deutschlands im Ausland prägt. Und was zum schönen Schein fehlt, wird durch Touristen bespaßende Darsteller in Soldatenuniformen und Bärenkostümen ergänzt.

Da stört es selbst das Stadtmarketing wenig, wenn das Berliner Wahrzeichen wenig authentisch in bayerischer Tracht über den Platz tappst und sich den die Außenwelt nur durch ein Kameraobjektiv wahrnehmenden Besuchern für ein paar Euro an den Hals wirft - das reale Berlin findet sowieso an ganz anderen Orten statt. Was hier präsentiert wird, ist das Abziehbildchen aus einem Märchen, wo hässliche Fakten der Realität nur den Touristenstrom stören könnten.

Mitten in diesem Tumult aus Kunstpelzkostümen und Plastikgewehren sitzen Menschen, die für ihr Anliegen um Gehör bitten. Doch die Botschaft droht zwischen dem Blitzlichtgewitter und dem dieser Tage allabendlich an die Fassaden projizierten Lichterspektakel unterzugehen. Mit Sicherheit gab es schon Touristen, die die Flüchtlinge als Teil der Folklore verstanden. Ein Hungerstreik im Herzen Berlins lässt sich schließlich kaum anders erklären.

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