Kollision mit radioaktiver Ladung?

Russischer Frachter nach Unfall in Hamburg entladen

  • Reinhard Schwarz, Hamburg
  • Lesedauer: 2 Min.

Am frühen Freitagmorgen kollidierte der 100 Meter lange russische Frachter »Mikhail Lomonosov« vor Rügen mit einer 15 Meter großen britischen Yacht. Die Yacht wurde schwer beschädigt in den nächsten Hafen geschleppt, die Mannschaft blieb unverletzt. Die »Mikhail Lomonosov« setzte anschließend ihre Fahrt durch den Nordostseekanal fort und legte Montagfrüh im Hamburger Hafen an. Das Brisante an dem Vorfall: Der Frachter war nach Informationen der »Systemoppositionellen Atom Kraft Nein Danke Gruppe Hamburg (SAND)« mit einer radioaktiven Ladung unterwegs.

»In der Regel transportiert das Schiff der russischen Reederei Northern Shipping Company radioaktive Stoffe wie beispielsweise Uranhexafluorid und Urandioxid aus Russland«, heißt es in einer Erklärung von SAND. Hierbei handele es sich um hochgiftige radioaktive Substanzen, die zur Herstellung von Atombomben oder für Brennstäbe in Kernreaktoren benötigt werden.

Äußerst giftig

Uranhexafluorid ist eine leicht flüchtige, äußerst giftige, radioaktive und korrosive Verbindung aus Uran und Fluor, die in der Uran-Anreicherung eingesetzt wird. Es reagiert sehr heftig mit Wasser, wobei das wasserlösliche Uranylfluorid und Fluorwasserstoff entstehen. Bereits eine hohe Luftfeuchtigkeit kann zu einer solchen Reaktion führen. nd

 

»Die Frage stellt sich: Was ist im Einzelnen dort vor Rügen passiert? Und was wäre, wenn die ›Mikhail Lomonosov‹ mit einem größeren Schiff kollidiert wäre?«, sagte ein Sprecher von SAND. »Weiterhin stellt sich die Frage, ob die Seenotretter überhaupt wussten, dass radioaktive Stoffe an Bord des Schiffes waren.« Nach Auskunft von Sinje Pangritz, Sprecherin der Hafenbehörde Hamburg Port Authority (HPA), müssen Gefahrenstoffe, die im Hamburger Hafen transportiert werden, bei der Wasserschutzpolizei angemeldet werden. »Die Sicherung des Materials ist Sache der Umweltbehörde«, so Pangritz.

Bei der Polizei gibt man sich wortkarg. Ein Polizeisprecher bestätigte, dass die Substanzen an Bord der »Mikhail Lomonosov« die Gefahrenklasse 7 hatten, also radioaktiv und hochgiftig waren. Nach Informationen von SAND wurden die Container mit ihrer brisanten Fracht im Hafen entladen und vermutlich per Lkw zu den Brennelementefabriken in Gronau und Lingen weitertransportiert.

Die Havarie der »Mikhail Lomonosov« erinnert an den Brand des Frachters »Atlantic Cartier« am 1. Mai dieses Jahres im Hamburger Hafen. Das Schiff hatte Munition an Bord sowie neun Tonnen Uranhexafluorid. Zur Löschung von brennendem Uranhexafluorid wäre Kohlendioxid nötig gewesen, das aber in ganz Norddeutschland nicht verfügbar gewesen sei, heißt es dazu in einer Erklärung der Grünenfraktion. »Die Einsatzkräfte haben unter widrigsten Umständen und unter Lebensgefahr die Uran-Container von Bord geholt«, erklärte damals deren hafenpolitischer Sprecher Anjes Tjarks. Die Grünen verlangen nun vom Senat Aufklärung in Sachen der »Mikhail Lomonosov« und bereiten eine Anfrage vor, sagte ein Sprecher. Florian Kaiser von der Linksfraktion erklärte, die viel befahrene Ostsee sei für Gefahrenguttransporte generell ungeeignet. SAND fordert den sofortigen Stopp aller Atomtransporte.

Wir stehen zum Verkauf. Aber nur an unsere Leser*innen.

Die »nd.Genossenschaft« gehört denen, die sie lesen und schreiben. Sie sichern mit ihrem Beitrag, dass unser Journalismus für alle zugänglich bleibt – ganz ohne Medienkonzern, Milliardär oder Paywall.

Dank Ihrer Unterstützung können wir:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen in den Fokus rücken
→ marginalisierten Stimmen eine Plattform geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und weiterentwickeln

Mit »Freiwillig zahlen« oder einem Genossenschaftsanteil machen Sie den Unterschied. Sie helfen, diese Zeitung am Leben zu halten. Damit nd.bleibt.