Vom Rittergut bis zur Kaschemme

Geheime Verfassungsschutzlisten zum Immobilienbesitz von Rechtsextremisten belegen ein verdrängtes Problem

  • René Heilig
  • Lesedauer: 5 Min.
»Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen«, sagt der Grundgesetzartikel 14. Er sagt auch, dass »Inhalt und Schranken durch die Gesetze bestimmt« werden.

Blind oder doof? Bund und Länder geben Millionen für den Kampf gegen Rechtsextreme aus. Doch bisweilen steht man sich da selbst im Wege. Auch in Thüringen. Der Freistaat nimmt gerade abermals einen Anlauf, um den Verkauf des Ritterguts Guthmannshausen an Anhänger der rechten Szene rückgängig zu machen. Das Finanzministerium teilte unlängst mit, es wolle in einem Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Jena das Geschäft rückabwickeln. Der Termin sei voraussichtlich im Dezember.

Die Aussichten auf Erfolg stehen nicht gut, denn im April war der Freistaat mit einer entsprechenden Klage in Erfurt gescheitert. Das Land hatte argumentiert, es sei bei dem Verkauf arglistig getäuscht worden. Die Richter sahen das nicht als erwiesen an.

Entlarvende Halternachfragen

Bisweilen verraten Autonummern, dass Firmen ihren Mitarbeitern zu viel »Spielraum« geben. 2007 stellte die italienische Staatspolizei in Bolzano die Besitzer von Fahrzeugen aus Italien, Deutschland und Österreich fest, deren Insassen sich an einem Treffen der rechtsextremistischen »Jungen Landsmannschaft Ostpreußen« und des »Südtiroler Kameradschaftsrings« beteiligten. Die Autos mit deutschen Kennzeichen waren unter anderem zugelassen auf eine Niedrigenergie-Hausbau-Firma und eine bundesweite Kette, die Backwaren feil bietet.

Die anwesenden Burschenschaftler und »Freien Kameraden« debattierten unter anderem über »den Kampf der weißen Rasse, Arbeit, Familie und Vaterland«. Mit dabei: der einstige NPD-Chef aus Jena und jetzige Angeklagte im NSU-Verfahren Ralf Wohlleben.

 

Die aberwitzige Geschichte geht zurück ins Jahr 2011. Damals war das Gut an eine Frau aus Hessen verkauft worden, die nach Angaben des Landes erklärt hatte, in der früheren Landwirtschaftsschule als Heilpraktikerin arbeiten zu wollen. Außerdem wollte sie ein Bildungs-, Kultur- und Tagungszentrum einrichten. Kaum war das Geschäft perfekt, verschickte ein Herr Wolfram Schiedewitz an Freunde und Mäzene seines Vereins »Gedächtnisstätte« Einladungen, die just in das 800-Seelen-Dorf rund 50 Kilometer nordöstlich von Erfurt wiesen. Man habe dort endlich eine »neue Heimstatt« gefunden.

Schiedewitz versprach, den Herrensitz auf dem ehemaligen Rittergut in Guthmannshausen nun wieder mit Leben zu füllen. Dabei geht man im übertragenen Sinn über Leichen - im Gedenken an »unsere zivilen Opfer des Zweiten Weltkrieges durch Bomben, Verschleppung, Vertreibung und in Gefangenenlagern«.

Der Verein, der solches propagiert, ist nicht einmal dem Verfassungsschutz unbekannt. 1992 im ostwestfälischen Vlotho gegründet, hält er besten Kontakt zu Holocaust-Leugnern. Die »Gedächtnisstätte« ist legal. Als sie im sächsischen Borna nicht Fuß fassen konnte, orientierte man sich nach Guthmannshausen.

Es muss nicht immer ein Rittergut sein, Raum für Rassismus ist bisweilen auch in der kleinsten Hütte. Unlängst hat die SPD-Bundestagsfraktion nach Palästen und Hütten gefragt, die zu Veranstaltungszwecken der Rechtsextremen- und Neonaziszene genutzt werden. Nach Auskunft der Regierung sind das derzeit bundesweit rund 260. Keine Berücksichtigung finden dabei Objekte, die Rechtsextremisten »ausschließlich für eigene Wohn- oder sonstige, eindeutig nicht extremistische Zwecke nutzen«. Wie man diese Unterscheidung getroffen hat, ist ebenso geheimnisvoll wie fragwürdig.

Rund ein Drittel der Immobilien sind Eigentum der Rechtsextremisten. Ansonsten handelt es sich um gemietete, gepachtete oder regelmäßig für Versammlungen zur Verfügung stehende Objekte. Bei den von Rechtsextremisten genutzten Immobilien unterscheidet die Regierung zwischen folgenden Nutzergruppen: 98 Objekte (37 Prozent) seien der NPD oder ihren Teilorganisationen, 38 Objekte (15 Prozent) »Freien Kameradschaften« oder dem neonazistischen Spektrum zuzuordnen. 25 Objekte (zehn Prozent) würden gemeinsam von NPD und parteiunabhängigen Neonazis genutzt. Bei 24 Objekten (neun Prozent) gehören die Nutzer rechtsextremen Kleingruppen an. Auf 75 Objekte (29 Prozent) schließlich greife die rechtsextremistische Szene strömungsübergreifend zurück.

Knapp zwei Drittel der Objekte dienen als allgemeine Treff- und Versammlungsorte, unter anderem werden 67 Objekte (26 Prozent) primär für Musik- sowie 70 Objekte (27 Prozent) für Schulungs- und Vortragsveranstaltungen genutzt. Hervorzuheben sind schließlich 23 Immobilien (neun Prozent), die für die Ausübung eines Gewerbes genutzt werden. Gemeint sind Szeneläden, Versandhandelsfirmen, Verlage.

Die Zahlen und Prozente sind nur ein Teil der Wahrheit. Eine geheime Liste des Bundesamtes für Verfassungsschutz, die mehrere Teile umfasst, lässt Nutzungsarten, Kaufpreise sowie interessante Finanzierungs- und Eigentumsmodell erkennen. Oft finanzierte die NPD Parteieinrichtungen, die zur Nutzung für Kameraden verschiedenster Art bereit stehen. Es tauchen in der Aufstellungen Hinweise auf Darlehen prominenter Rechtsaußentypen oder von deren Erben auf, Strohleute wurden als Mieter oder Bewirtschafter gesucht und gefunden. Mal »butterte« ein »Motorrad-Club«, mal eine GmbH oder ein harmlos erscheinender Verein etwas zu. Stiftungen der verschiedensten Art wie der Bund für Gotteserkenntnis tauchen auf.

Hat man ein wenig in der Szene recherchiert, so wundert man sich nicht, dass der Verfassungsschutz rechtsextremistische Eigentümer auflisten muss, deren Namen in V-Mann-Dateien des Inlandsgeheimdienstes auftauchen. So findet man in Baden-Württemberg einen Mann, dessen Name schon bei Ermittlungen zum Mord an der Polizistin Michele Kiesewetter auftauchte. Die Tat wird dem Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) zugeschrieben. Blickt man nach Chemnitz, erkennt man ehemalige Blood&Honour-Kämpfer, die mutmaßlich dem NSU-Trio beim Untertauchen halfen.

Quer durch alle Bundesländer sind Wohnungen, Büros, Reiter- und Bauernhöfe, Gasthäuser, Läden und Lager als Nazi-Immobilen benannt. Natürlich sind den Rechtsaußen-Besitzern Steuersparmodelle nicht unbekannt. Wenn jetzt die Strompreise steigen, profitieren clevere Nazis davon, dass sie beizeiten eine Solaranlage aufs Dach gesetzt haben. Auch denkt kaum jemand an gesellschaftlichen Umsturz, wenn er mal bei »Traudl« auf eine Tasse Kaffee einkehrt. Dass aus Neonazis inzwischen geachtete, weil millionenschwere Nachbarn geworden sind, denen Mehrsterne-Hotels und ähnliches gehören, ist aus der Liste nicht ablesbar, aber eine Tatsache.

Den Innenbehörden sind bislang »nur wenige Hinweise auf gezielte Ansiedlungen von Rechtsextremisten« zugegangen. Doch es gibt sie. Unter anderem in Mecklenburg-Vorpommern. Dort, so sagt selbst die Bundesregierung, bestehe die Gefahr, dass sogenannte völkische Siedler versuchen, durch Mitwirkung in regionalen Ökologieprojekten sowie in Vereinen, Erziehungseinrichtungen, Kirchenstrukturen und andere Gruppen ihre Akzeptanz zu erhöhen und gleichzeitig ihre zum Teil rassistische Ideologie zu verbreiten. Auf diese Weise könnte es zu »einer negativen Einflussnahme auf örtliche zivilgesellschaftliche und politische Strukturen bis hin zur Erringung von Mandaten bei künftigen Kommunalwahlen kommen«.

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