Ein Dorf verteidigt seine Schule

In Thüringen wurde in zwei Landkreisen die Unterschriftenzahl für Bürgerentscheide erreicht

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.
In zwei Thüringer Landkreisen könnte es bald zu Bürgerentscheiden kommen. Zum einen geht es um die Zukunft einer Regelschule, zum anderen um den Erhalt der kommunalen Abfallwirtschaft.

In der Auseinandersetzung um eine drohende Schulschließung im Südthüringer Landkreis Hildburghausen stehen die Zeichen auf Bürgerentscheid im kommenden Winter. Über 12 500 Unterschriften hatten die Unterstützer eines Bürgerbegehrens seit dem Frühjahr gesammelt und im Landratsamt übergeben - gegen den Kreistagsbeschluss zur Auflösung der Regelschule in der knapp 3000 Einwohner zählenden Gemeinde Veilsdorf. Damit hat sich rund ein Viertel aller Wahlberechtigten dem Begehren angeschlossen, das von einer Gruppe betroffener Veilsdorfer Eltern ausgegangen war und kreisweit von Linkspartei, SPD und Grünen unterstützt wurde.

Der Zuspruch übertraf die Erwartungen der Initiatoren und dürfte auch Ausdruck allgemeinen Unbehagens über den Umgang an der Verwaltungsspitze mit den Sorgen und Nöten der Einwohnerschaft sein. Dass die aus CDU, FDP und Freien Wählern bestehende Kreistagsmehrheit und Landrat Thomas Müller (CDU) indes nicht geneigt ist, unter dem Eindruck von 12 500 Unterschriften den Beschluss zur Schließung der Veilsdorfer Schule zurückzunehmen, war bereits Ende September im Kreistags-Bildungsausschuss deutlich geworden. Nun blicken die Akteure auf die nächste Kreistagssitzung Anfang November.

Theoretisch hätte das Gremium die Möglichkeit, nun das Anliegen des Bürgerbegehrens zu übernehmen und vom Schließungsbeschluss abzurücken. Dann entfiele laut Kommunalordnung der Bürgerentscheid. Sollte der entsprechende Antrag der Oppositionsparteien von der bürgerlichen Mehrheit im Kreistag jedoch abgelehnt werden und sollten die Initiatoren des Begehrens weiter auf ihrer Zielsetzung beharren, so hätte die Kreisbevölkerung in einem Bürgerentscheid das letzte Wort.

Noch hofft auch Andreas Schmidt von der Veilsdorfer Elterninitiative auf eine Umkehr der Kreistagsmehrheit. Andernfalls seien die Initiatoren zum Kampf um jede Stimme bereit. Die Vorbereitungen hierfür seien bereits im Gange, bestätigte Schmidt auf »nd«-Anfrage. Die Eltern sähen die derzeit von rund 90 Schülern besuchte Bildungsstätte als zukunftsfähig an. Schließlich prognostizierten neue Studien für das Jahr 2019 eine Schülerzahl über 130. Eine lokale Schule sei gerade im ländlichen Raum auch für die Kultur und Nachwuchsförderung örtlicher Vereine wichtig. Bei einer Zuordnung auf andere Schulen verliere jedes betroffene Veilsdorfer Schulkind durch den längeren Schulweg pro Jahr 10 Tage, so Schmidt. Das bedeute weniger Freizeit und weniger Engagement im Verein.

Dass Thüringer Kreistage unter dem Eindruck von Bürgerbegehren durchaus auf geplante Schulschließungen verzichten können, ohne es auf einen Bürgerentscheid ankommen zu lassen, zeigen Beispiele aus Stützerbach (Ilm-Kreis) und Trusetal (Landkreis Schmalkalden-Meiningen). Wenn CDU-Landrat Thomas Müller stets verkünde, wie wichtig ehrenamtliche Arbeit sei, könne er dies am Beispiel Veilsdorf praktisch unter Beweis stellen, erklärte Rainer Juhrsch, LINKE-Kreisvorsitzender in Hildburghausen. Damit blieben der Kreiskasse auch die Kosten eines Bürgerentscheid in Höhe von gut 70 000 Euro erspart.

Auch im Ilm-Kreis ist ein von einem parteiübergreifenden Initiativkreis angestrebter Bürgerentscheid nach wie vor möglich. Dort geht es um den Erhalt der kommunalen Abfallwirtschaft, der durch eine EU-weite Ausschreibung die Privatisierung droht. Vor wenigen Wochen hatten die Initiatoren im Landratsamt die Bögen mit 9231 gesammelten Unterschriften übergeben, welche die Unterstützer in den Sommermonaten auf Marktplätzen, im Bekanntenkreis, bei Veranstaltungen und selbst am Rande eines Wahlkampfauftritts der Bundeskanzlerin in Ilmenau gesammelt haben.

Damit dürfte das erforderliche Quorum erreicht sein. Die Unterschriften werden derzeit allerdings noch in den Rathäusern überprüft. Ein offizielles Ergebnis wird für Anfang kommender Woche erwartet.

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