Staub und Asche
Marion Pietrzok über den spektakulären Kunstfund in München
Die Nazi-Vergangenheit ist nicht vergangen. Unterm Mantel der Geschichte klebt dicker brauner Dreck. Wieder und wieder wehen dessen Staubfahnen hervor. Da hat ein Kunstsammler, der in den 30er, 40er Jahren den Nazis beim Zusammenraffen wertvoller Kunstwerke diente, Hildebrand Gurlitt, der dann aber »entnazifiziert« wurde, Gemälde, Drucke, Radierungen, Stiche auch für sich abgezweigt. Seine Sammlung sei im Dresdner Feuersturm verbrannt, erklärten er und später auch seine Frau. Von dieser Lüge lebte sein Sohn. Der unvorstellbare Milliarden-Schatz - vor allem Werke der Klassischen Moderne - war der geheimgehaltene Honigtopf, aus dem sich der heute 80-jährige Cornelius Gurlitt seit Jahrzehnten bedient hat. Beides - Lüge und Versteck - sind jetzt aufgeflogen.
Sensation, Kunstkrimi, dem Fortsetzungen folgen werden, jubeln die Medien. Sicher, manche bislang ungeklärte Fälle, die der Nazi-Raubzug hinterlassen hat, können erhellt werden, manch Kunsthistorisches wird neu geschrieben werden. Doch es war ein Zufallsfund. Sage niemand, der Umgang Deutschlands mit Raubkunst generell, die ohnehin erst spät angelaufene Provenienzforschung, sei mit ihren lächerlich wenigen Stellen und mit miserabler finanzieller Ausstattung ausreichend und angemessen, und streue sich Asche aufs Haupt.
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