Verzweiflungstat
Simon Poelchau über die Entscheidung der EZB, den Leitzins zu senken
Es blieb Mario Draghi und seinen Kollegen im Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) offenbar nichts anderes übrig, als sie am Donnerstag den Leitzins auf ein Rekordtief von 0,25 Prozent senkten. Denn die Eurokrise ist entgegen jüngsten Meldungen noch lange nicht überwunden.
Die Reaktionen auf die EZB-Entscheidung zeigen indes, wie gespalten die Wirtschaft der Eurozone bereits ist. So giften bereits die deutschen Banken- und Versicherungsverbände, das Signal sei falsch. Ihre Volkswirtschaft braucht schließlich keine günstigen Kredite. Im Gegenteil: Die deutsche Finanzwelt will zurück zu einem höheren Zinsniveau, damit sie bald wieder fette Profite einheimsen kann. Doch ob die jetzige Zinssenkung den südeuropäischen Ländern wirklich helfen kann, ist noch nicht ausgemacht. Zumindest ist es ein Versuch, das Krisenfeuer ein wenig einzudämnen. Der leider nicht ausreicht. Denn die Wirtschaft in diesen Ländern steckt so sehr in der Rezession fest, dass noch billigere Kredite keine Abhilfe schaffen können. Die Impulse müssten von woanders kommen: Der Austeritätskurs der letzten Jahre müsste zurückgenommen und Investitionsprogramme zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit müssten aufgestellt werden.
So ist die Leitzinssenkung eine Verzweiflungstat. Die EZB kann die Politik nicht ersetzen. Nur von dort können die wirklichen Impulse kommen.
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