Niederlande: Huren normale Dienstleister
Am 1 Oktober fällt das Bordellverbot Von Annette Birschel, Amsterdam
Das älteste Gewerbe der Welt wird in den Niederlanden zu einem ganz normalen Beruf. Am 1. Oktober fällt das Bordellverbot - Prostitution wird eine legale Dienstleistung. Eine gute Nachricht für die schätzungsweise 6000 Prostituierten, findet deren Interessenvertretung «Der rote Draht» (De Roode Draat). Endlich könnten Huren ihr Leben in der Illegalität aufgeben und hätten eine gesetzliche Handhabe gegen Zuhälter, Zwang und schlechte Arbeitsbedingungen. Die schlechte Nachricht für sie: Sie müssen auch Steuern und Sozialversicherung zahlen und Buchhaltung führen.
«Viele Huren haben Angst davor», sagt eine Sprecherin der Gewerkschaft der Prostituierten. Sie wüssten nicht, was auf sie zukommt. Die meisten wollten selbstständige Unternehmerinnen bleiben, schreckten aber vor dem Papierkram zurück. Auch seien Sozialämter, Steuerbehörden und das Arbeitsrecht noch nicht auf den neuen Berufszweig vorbereitet. Wann gilt eine Hure als arbeitsunfähig, ab wann kann sie in Rente gehen? «Viele tauchen sicher in die Illegalität ab», fürchtet der «Rote Draht». Schon jetzt arbeiteten viele Frauen aus Südamerika und Osteuropa illegal.
Doch Polizei und Justiz sind erleichtert. «Endlich können wir die Auswüchse der Prostitution bekämpfen», sagt das Justizministerium. Alles werde nun «durchsichtiger», auch Menschenhandel und sexueller Missbrauch von Kindern.
Eine schlechte Nachricht ist das neue Gesetz für Zuhälter und Bordellinhaber. Sie müssen sich nun auf Kontrollen gefasst machen. Wer Minderjährige oder Prostituierte aus Nicht-EU-Ländern beschäftigt, dem droht der Entzug der Lizenz. Die Auflagen für ein Bordell sind je nach Gemeinde verschieden. Aber überall gilt: Kondome sind Pflicht und die Regeln zur Größe der Zimmer oder der Fenster, hinter denen die leichten Damen im weltberühmten Rotlichtviertel von Amsterdam etwa sitzen, müssen eingehalten werden.
Arie de Jong, Bordellinhaber in Den Haag, ist sauer- «Für uns wird es immer schwieriger. Schon jetzt stehen viele Zimmer leer, weil wir nicht genug Frauen aus der EU finden.» Von dem neuen Gesetz habe er nichts. «Wenn ich morgen einen Kredit von meiner Bank will, dann krieg ich den doch nicht, ob mein Betrieb nun legal ist oder nicht.»
Die Legalisierung wird die Zuhälter auch Geld kosten. Denn als ordentliche Arbeitgeber müssen sie auch Sozialabgaben zahlen. Und sie werden sich auf Tarifverhandlungen gefasst machen müssen. Der niederländische Gewerkschaftsbund hat bereits angekündigt, den neuen Ar beitnehmern helfen zu wollen. epd
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