- Politik
- ? Alois Brunner und Anton Burger-zwei »verschollene« Eichmann-Kumpane
Halbherzige Fahndung
Fünfundfünzig Jahre nach der Zer schlagung des Nazireiches ist hinsichtlich der strafjustiziellen Auseinandersetzung mit den von dessen Scher gen verübten Verbrechen zu konstatieren: Niemals zuvor oblag es internationaler und nationaler Judikatur, Straftaten ver gleichbaren Ausmaßes zu ahnden. Zwar sind noch nie so viele Personen wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zur Verantwortung gezogen worden wie seitdem, dennoch ist es zahlreichen Schwerbelasteten gelungen, der Aburteilung zu entkommen, obwohl die Justiz gegen sie gewichtige Beweise besitzt.
Zu ihnen zählen zwei der engsten Ver trauten Adolf Eichmanns: zum einen SS- Hauptsturmführer Alois Brunner, verantwortlich für den Tod von mehr als 120 000 Juden aus Österreich, Deutschland, Griechenland, Frankreich, der Slowakei, und zum anderen SS-Obersturmführer Anton Burger, der als Kommandant von Theresienstadt über zehntausend Juden nach Auschwitz deportieren ließ. Brunner soll (was infrage zu stellen ist) laut arabischen Zeitungen vor Jahren in Syrien gestorben sein, Burger endete zweifelsfrei am 25. Dezember 1991 als Wilhelm Bauer in einem Essener Krankenhaus an Darmkrebs.
Zwei Bücher zeichnen die Blutspur nach, die beide durch Europa zogen, und rekonstruieren, aufweiche Weise und mit wessen Hilfe es ihnen gelang, sich den Fahndern zu entziehen. Die Fernsehjour nalisten Esther Schapira und Georg M. Hafner recherchierten an Brunners Tatorten. Sie dokumentieren ergreifende Berichte der wenigen Überlebenden, die dem ihnen von den Häschern bestimmten Schicksal entkamen, und zeichnen den Leidensweg jener nach, die Brunner foltern und töten ließ, wobei er - wie Burger - auch eigenhändig mordete. Die Redak teurin Müller Tupath spürte dem Lebensweg Anton Burgers vor und nach 1945 nach. Die Amerikaner wurden damals bald beider (wie Eichmann aus Österreich stammenden) SS-Männer habhaft. Während sich Brunner im Internierungslager Weitschlag als Alois Schmaldienst ausgab, war Burgers Identität im Lager Glasenbach bekannt. Als 1947 die CSR seine Auslieferung begehrte, floh er- später er neut festgenommen, gelang ihm 1951 wieder die Flucht, diesmal aus einem österreichischen Gefängnis. Beide tauchten in Österreich und der Bundesrepublik Deutschland unter. Brunner lebte noch 1954 unter seinem alias-Namen in Essen, bis er sich mit Hilfe einflussreicher Kreise nach Syrien absetzte. Welche Hilfe den Kriegsverbrechern zuteil wurde, enthüllen diese beiden Bücher. Dabei war Brunners Domizil als Georg Fischer in Damaskus schon früh bekannt, was nicht zuletzt die Briefbombenanschläge von 1961 und 1980 beweisen, bei denen er ein Auge und vier Finger der linken Hand verlor. Er hielt in Syrien Hof, traf sich mit »alten Kameraden« und Journalisten. 1985 interviewte ihn dort - von Nethanjahu in der UNO angeprangert - die »Bunte«, im Jahr darauf verabschiedete er einen Landsmann: »Grüßen Sie mir mein schönes Wien, das ich für Sie judenrein gemacht habe.« Da Burgers Streben, gleichfalls in den Nahen Osten zu entkommen, erfolglos blieb, lebte er seit 1962 ständig unter falschem Namen im Ruhrgebiet. Österreichs Behörden aber, gab er über einen Advokaten und Ver wandte seine Identität mit dem Zusatz preis, er lebe anonym in München.
Gewiss kommt es vor, dass man selbst Schwerkriminelle erst nach langer Zeit ergreift. In diesen zwei Fällen jedoch prägen - wie die Autoren belegen - Ungereimtheiten die Recherchen. So ist Brunner mehrfach mit seinem 1947 in Wien hingerichteten - ebenfalls dem Kommando Eichmanns angehörenden - Namensvetter Anton verwechselt worden. Wie Burger hatte er stets Kontakt zu Angehörigen und seinesgleichen. Zwar lobte 1985 die Staatsanwaltschaft der BRD 500 000 Mark für sein Ergreifen aus, verzichtete aber auf fremdsprachige Fahndungsplakate, obwohl sich der Gesuchte nicht im deutschen Sprachraum aufhielt.
Freilich: Noch mehr als die Justiz wäre in diesem Fall die Politik gefordert gewesen. Zwar hatte Syrien 1963 den Wiener Instanzen bedeutet, Brunner habe das Land mit unbekanntem Ziel verlassen und in der Folge beschied man Ersuchen Frankreichs, der BRD und der DDR ähnlich gleisnerisch
Georg M. Hafner/Esther Schapira: Die Ak te Alois Brunner. Warum einer der größten Naziverbrecher noch immer auf freiem Fuß ist. Vorwort von Beate und Serge Klarsfeld. Campus Verlag, Frankfurt- (Main)/New York 2000. 327 S.. geb., 39.80 DM.
Karla Müller-Tupath: Verschollen in Deutschland. Das heimliche Leben des Anton Burger. Lagerkommandant in Theresienstadt. Vorwort von Simon Wiesenthal. Aufbau Taschenbuch-Verlag, Berlin 2000 199 S.. geb., 15,90DM.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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