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«Teddys» Tochter

Zum Tod von Irma Gabel-Thälmann Nachruf Von Hans Canje

  • Lesedauer: 2 Min.

Alle Schritte Deines jungen Lebens werden Dir nichts fertig liefern, sie erfordern Anstrengungen, Nachdenken, Wendigkeit, Durchhalten.« Dies schrieb Ernst Thälmann, seit 1925 Vorsitzender der Kommunistischen Partei Deutschlands, aus Nazi-Haft an seine Tochter Irma. Die Worte ihres Vaters, der von politisch organisierten Arbeitern zur Zeit der Weimarer Republik liebevoll »Teddy« genannt wurde, waren der am 6. November 1919 in Hamburg Geborenen stets Gebot. Ihre Lebensjahre in der DDR waren vor allem damit ausgefüllt, die Er innerung an den im August 1944 im KZ Buchenwald Ermordeten lebendig zu halten. Ungezählt sind ihre Auftritte vor Schulklassen, in Pionier und FDJ-Gruppen, in Arbeitskollektiven, in der NVA und bei Gedenkveranstaltungen für die Opfer des Faschismus. Die letzten Jahre, nach der deutschen Vereinigung, hat sie zurückgezogen in Berlin gelebt. Am vergangenen Sonntag ist Irma Gabel-Thälmann nach schwerer Krankheit im Alter von 81 Jahren verstorben.

Ihren Vater hatte Irma Thälmann 1943 zum letzten Mal im Gerichtsgefängnis Hannover gesehen. »Zu diesem Zeitpunkt war er zehn Jahre lang in den Kerkern der Faschisten, war gepeinigt und gedemütigt worden. Und trotzdem: Vater war voller Optimismus, Kampfgeist und trat seinen Bewachern standhaft und furchtlos gegenüber«, berichtete sie rückblickend in einem in DDR-Zeiten erschienenen Inter view. Am 16. April 1944 wurde die damals 25-jährige Irma Thälmann zusammen mit ihrer Mutter verhaftet und in das Nebenlager Neubrandenburg des Frauen-KZ Ravensbrück verbracht. Durch die Rote Armee am 29 April 1945 befreit, wurde sie Mitglied der KPD die sich dann im Osten Deutschlands mit der SPD zur SED vereinigte. Einige Jahre war sie Mitglied der Leitung der Lagerarbeitsgemeinschaft Ravensbrück. Abgesehen von einer zeitweisen Tätigkeit als Kaderinstrukteur im Ministerium für Schwermaschinenbau wirkte sie überwiegend ehrenamtlich für die Jugendorganisationen in der DDR. Über ihre eigene Jugend und ihre Begegnungen mit dem im März 1933 festgenommenen Vater während dessen Haft schrieb sie im Kinderbuch »Erinnerungen an meinen Vater«.

Irma Gabel-Thälmann war schon Rentnerin, als ihr Name noch einmal in den Schlagzeilen erschien: Als Nebenklägerin trat sie im Krefelder Prozess gegen den an der Ermordung ihres Vaters beteiligten ehemaligen SS-Stabsscharführer Wolfgang Otto auf. Nach 1990 hat sie zeitweise der neugegründeten KPD angehört, die sich als einzig rechtmäßige Nachfolgerin der Thälmannschen KPD deklariert. Für sie ließ sie sich auch zur Bundestagswahl 1994 in Berlin als Kandidatin für ein Direktmandat aufstellen. Zu dieser Zeit war sie bereits aus der PDS ausgetreten, deren Programmatik ihr zu »sozialdemokratisch« war. Schwer getroffen hat sie aber vor allem die von ihr als ungerechtfertigt betrachtete Neuinterpretation der Rolle Thälmanns in der deutschen Arbeitergeschichte, die sie als Demontage des Vaters empfand.

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