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  • Politik
  • Frankfurt (Oder): Arnold Bischinger wird künstlerischer Leiter im Kleist Forum

Frankfurt bleibt Theaterstadt

  • Henry-Martin Klemt
  • Lesedauer: 3 Min.

Ich bin froh, die Hälfte meiner Post los zu sein», meinte Andreas Bitter bei der Vorstellung von Arnold Bischinger als neuem künstlerischem Leiter für das im März öffnende Kleist Forum Frankfurt lächelnd. Mit der im Januar aus der BrandenburgMesse hervorgegangenen Messeund Veranstaltungsgesellschaft Frankfurt (Oder) hat Bitter alle Hände voll zu tun. Die Profilierung von Frankfurt (Oder) als wichtigstem Messestandort in Ostbrandenburg gehört ebenso dazu, wie die soeben übernommene Konzerthalle «Carl Philipp Emanuel Bach», deren bisheriger Direktor Woifgang Johst keinen Hehl aus seiner Skepsis gegenüber der Fusion macht. Schließlich betreibt die Gesellschaft das Kleist Forum Frankfurt, 70 Millionen Mark teuer und ursprünglich als Heimstatt für das oderstädtische Theater geplant. Doch die Bühne wurde unter dem Druck von Verwaltung und Abgeordneten im vergangenen Sommer geschleift. Spätestens seither ist das Vertrauen in eine berechenbare Kulturpolitik dahin. Selbst Kulturreferent Michael Reiter spricht im Zusammenhang mit der Rotstiftpolitik im Rathaus von einem Diktat der Inkompetenz und Unverbindlichkeit. Mit Ablauf seines Vertrages hat er seinen Job als Werkleiter des Kultureigenbetriebes zur Disposition gestellt, weil er die eigenen Konzepte nur noch buchhalterisch, aber nicht mehr kulturpolitisch vertreten kann. Der hagere 36-Jährige aus Rheine im Münsterland lässt sich von solch eher abschreckender Ausgangssituation nicht entmutigen. Seine Aufgabe ist es, die Hälfte aller Veranstaltungen zu bestreiten, die das Kultur und Kunsthaus mit seinen 550 Theaterplätzen bieten will.

Dabei kommen ihm die bislang gesammelten Erfahrungen zugute. Beim Studium in Utrecht machte Bischinger sich mit der in den Niederlanden selbstverständlichen Trennung von Haus und Ensemble vertraut. «Das sind zum Teil sehr erfolgreiche Modelle mit einem überaus flexiblen und interessanten Spielplan.» Die Gründung der ersten ostdeutschen Theater GmbH erlebte er in Nordhausen. In Gera, wo er zuletzt sieben Jahre tätig war, entstand aus einem Puppentheater eine vielseitige Bühne mit starkem Kinder und Jugendtheater-Akzent. Gutes Theater setzt für Bischinger voraus, «die Kinder seele zu behalten», und mit ihr Neugier, Lust und Lebensintensität. So setzte er sich unter 90 Mitbewerbern durch. Kulturdezernent Martin Patzelt sieht in ihm «einen Theaterleiter und kleinen. Intendanten zugleich», wobei Bischinger im Unterschied zu seinem Vorgänger Manfred Weber keine Ambitionen hat, selbst zu inszenieren. Viel mehr ist ihm daran gelegen, eine möglichst breite Angebotspalette zu entwickeln, die von der Pflichtveranstaltung «brandenburgischer Theaterverbund» über Verträge mit Musikbühnen wie in Cottbus bis hin zur facettenreichen freien Berliner Szene oder auch nach Westpolen reicht.

Die freien Theater in Frankfurt sollen im neuen Haus ebenfalls zum Zuge kommen. «Ich bin für einen Mix, der die Begeisterungsfähigkeit des Publikums wach hält oder wieder weckt. Warum soll nicht ein Teil des Abends Vertrautes bieten und ein weiterer Teil zum Experiment verführen?» Dabei sieht Bischinger kein Genre ausgespart - bis hin zu musikalischen und Kleinkunstveranstaltungen.

Das neue Haus bietet schließlich räumliche Optionen vom Konzert für 1000 (stehende) Zuhörer bis zum Kammerambiente. Für drei bis vier Eigenproduktionen will die Stadt jährlich 1,8 Millionen Mark zur Verfügung stellen, zuzüglich ihres Anteils an den Betriebs- und Bewirtschaftungskosten. Ende März wird es mit einer Veranstaltungswoche eröffnet. Wie sie gestaltet wird, ist derzeit noch ein Geheimnis. «Wir wollen den Bonbon noch etwas wachsen lassen, bevor er knallt», meint Bitter. Mit dem Anspruch, das Kleist Forum zu einem Identitätsstifter für die Frankfurter werden zu lassen und der Kleist-Stadt den Ruf als Hort des Theaters zu erhalten, hat er sich gemeinsam mit Bischinger die Latte hoch aufgelegt.

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