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- SCHWIMMEN: Neuer DSV-Trainerstab
Der Vorschwimmer
Vom neuen Schwimm-Cheftrainer Ralf Beckmann werden schon bald Entscheidungen erwartet
Es gibt keine Badehosen mehr. Als der Schwimm-Weltcup am Wochenende in Berlin Halt machte, trug die männliche Weltelite neuartige Schwimmkleidung: Manche sehen aus wie Shorts, manche wie lange Unterhosen, und einige trugen auch Ganzkörperanzüge.
Früher traten die guten Schwimmer in kurzen Hosen, manchmal sogar mit Schnäuzer an, und es gab sogar Schwimmer, die mit Vollbart an den Start gingen. Zu dieser veralteten Spezies gehörte Ralf Beckmann, zu Roland Matthes Zeiten einer der besten Rückenschwimmer Westdeutschlands. Der gebürtige Niedersachse ist seit dem Wochenende neuer Cheftrainer des Deutschen Schwimm-Verbandes (DSV), und man erwartet von ihm nicht etwa, dass er sich wieder einen Bart wachsen lässt oder gar seinen Schwimmern so etwas empfiehlt, sondern ungefähr das Gegenteil: Alte Zöpfe abschneiden, neue Strukturen etablieren.
»Die Kompetenzen werden gebündelt«, sagt der 54-Jährige, und drückt damit aus, woran sein Vorgänger, Wilfried Leopold aus Leipzig, gescheitert ist. Der 63-jährige Sachse war nämlich kein Cheftrainer, sondern Teamchef, und heute nennt er sich Fachspartenvorsitzender Schwimmen im DSV Als Teamchef sollte Leopold drei fast gleichberechtigte Bundestrainer koordinieren: den Männer-Coach Manfred Thiesmann, den Frauen-Coach Achim Jedamsky und den für die Jugend zuständigen Niederländer Niels Bouws. Leopold - vor der Wende Cheftrainer in Leipzig - besaß zwar eine solide Trainerausbildung von der Leipziger DHfK, aber er war nicht weisungsberechtigt. Die Bundestrainer wiederum hatten Probleme mit der Macht der in den Vereinen angesiedelten Heimtrainer.
Nach den Olympischen Spielen in Sydney, die für die Deutschen ein bescheidenes Abschneiden brachten, ist diese bisherige Konstruktion ins Gerede gekommen. Leopold trat im November als Teamchef zurück und bereitet sich nun auf den Vorruhestand vor. Sein Amt als Fachspartenleiter betreibt er ehrenamtlich und hofft, dass er wiedergewählt wird.
Beckmann hingegen war nach seiner aktiven Zeit immer nur Profi: Er wurde Cheftrainer in Wolfsburg und Wuppertal, er war pädagogischer Leiter des Schwimmzentrums Wuppertal, er verfasste ein Lehrbuch, und so ganz nebenbei war er Anfang der 90er Jahre Schwimmwart des Verbandes.
Entsprechend wird von ihm nun Profi- Handeln erwartet. »Beckmann hat Ausstrahlung«, sagt die kommissarische und auch auf Wiederwahl hoffende DSV-Präsidentin Christa Thiel aus Wiesbaden, »er ist rhetorisch in der Lage rüberzubringen, was er will.«
Dieses Lob ist freilich bislang noch nicht zu bestätigen. Beckmann will nämlich so schnell »noch keine Regierungserklärung« abgeben. Er kündigt nur vage an, dass es »andere Aufgabenverteilungen und Schwerpunkte geben wird«. Was das für die Bundestrainer bedeutet, will er erst »in den nächsten Wochen« verkünden.
Die können sich aber, ist intern zu vernehmen, schon auf andere Jobprofile einstellen: Frauen-Trainer Achim Jedamsky soll sich, was er schon vor Jahren mit großem Erfolg gemacht hat, um die Jugend kümmern. Männer Trainer Manfred Thiesmann soll eine Art Assistent des neuen Cheftrainers werden, und der bisherige Jugendtrainer Niels Bouws, mit dem man im Verband schon lange nicht mehr zufrieden war und der vor Jedamsky für die Frauen zuständig war, geht in Rente. Beckmann setzt andere Schwer punkte: »Wir werden mehr in olympischen Zyklen denken«, gibt er als neue Orientierung schon mal aus, und das heißt für ihn, der nur einen Vertrag bis 2006 hat, »an die Spiele 2016 oder 2020 zu denken, denn die Teilnehmer dieser Spiele sind schon geboren und lernen vielleicht gerade Schwimmen.«
Indem er die Zuständigkeit des Verbandes und der Bundestrainer auf diese langfristigen Ziele lenkt, will er die Kompetenz der Vereinstrainer, die ihre Leute auf die jeweils anstehenden Vvoukmipfe hin trainieren, stärken.
Damit entgeht Beckmann geschickt - und letztlich wahrscheinlich f ach effektiv - dem Konflikt mit den jungen und immer selbstbewusster agierenden kliven. Schwimmer wie Sandra Völker, die hauptberuflich ihrem Sport nachgehen, sich selbst ein professionelles Team von Trainer, Masseur und Biomechaniker zusammengestellt haben, erwarten vom Verband nur noch die Bereitstellung eines funktionierenden Umfeldes. Alltäglichen Trainingskram organisieren sie selbst.
Früher hat der DSV den Aktiven die Badehosen gegeben, heute sind die Athleten bei einem Sportartikelhersteller angestellt und nennen sich »Vertragsschwimmer«. Es gibt eben keine Badehosen mehr.
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