Aufbegehren - wie gegen den Sonnenkönig

Frankreichs Präsident Hollande und die Linksregierung in einem »Heißen Herbst«

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.
Frankreichs »Heißer Herbst« mit Demonstrationen und Streiks zur Durchsetzung sozialer Forderungen hat sich etwas verspätet und einen veränderten Charakter.

Die Gewerkschaften, die gewöhnlich die Aktionen der Arbeitnehmer organisiert haben, stehen der Welle der Proteste, die seit zwei Wochen Frankreich bewegen, überrascht und weitgehend hilflos gegenüber.

Ausgegangen sind die Aktionen von der Bretagne, wo zahlreiche agrarverarbeitende Betriebe schließen und Tausende arbeitslos gewordene Menschen auf die Straße gegangen sind. Diesen Protesten haben sich Bauern der Region angeschlossen, um gegen die ungerecht niedrigen Aufkaufpreise des Handels zu protestieren. Ihr wirtschaftliches Überleben ist gefährdet.

Geschickt aufgegriffen und kanalisiert wurden diese eher spontanen Proteste durch den Unternehmerverband der Region. Er sah darin eine Chance, frontal gegen die Wirtschaftspolitik der Linksregierung und vor allem die neuen Steuerbelastungen Front zu machen. Als »rotes Tuch« diente dabei die »Ecotaxe«, die ab 1. Januar alle Lastwagen auf den Nationalstraßen zahlen sollten. Mit der Steuer sollten Infrastrukturen für Bahn und Binnenschiffe - also ökologische Alternativen zum Straßentransport - finanziert werden.

Über das ganze Land verteilt wurden bereits mehr als drei Dutzend Ecotaxe-Brücken durch in Brand gesteckte Reifen beschädigt oder zerstört. Das gilt ebenso für inzwischen schon mehr als 50 Radargeräte, mit der die Einhaltung der Höchstgeschwindigkeit kontrolliert wird und die ebenfalls als Symbol der »Steuerwillkür der Regierung« gelten. Die Teilnehmer der Proteste trugen rote Mützen, die an die Bewegung der »Bonnets rouges« von 1675 erinnern. Damit protestierten seinerzeit die Bretonen gegen neue Steuern des »Sonnenkönigs« Ludwig XVI.

Die Linksregierung knickte schnell ein. Die Einführung der »Ecotaxe« wurde auf unbestimmte Zeit verschoben und eine Soforthilfe von einer Milliarde Euro für die Bretagne sowie die Umstrukturierung ihrer Wirtschaft angekündigt. Doch die Proteste ließen nicht nach. Es meldeten sich auch Regionen wie Languedoc-Roussillon oder Nord-Pas-de-Calais zu Wort. Dort gibt es ebenfalls Firmenpleiten, Massenentlassungen. Die Arbeitslosigkeit liegt zudem noch weit höher als in der Bretagne.

Am 11. November wurde Präsident François Hollande auf den Pariser Champs Elysée bei der Gedenkzeremonie für das Ende des Ersten Weltkriegs 1918 von mehreren Hundert Personen am Straßenrand mit hasserfüllten Losungen attackiert und ausgepfiffen. Als sich andere Zuschauer dagegen verwahrten, kam es zu Schlägereien.

Die Polizei griff ein und nahm 73 Randalierer fest, die alle rote Mützen trugen. Bei ihnen handelte es sich durchweg um Angehörige rechtsextremer Organisationen. Die rechte Oppositionspartei UMP, die die Proteste angeheizt und für sich instrumentalisiert hat, musste sich von den Ausschreitungen in Paris distanzieren. Die rechtsbürgerliche Zeitung Le Figaro schrieb: »Die 73 Festgenommenen sind nicht repräsentativ für die 73 Prozent der Franzosen, die mit dem Präsidenten unzufrieden sind.«

Mit Bezug auf dieses Misstrauensvotum in Rekordhöhe fordert die rechte Opposition eine Kehrtwende in der Wirtschaftspolitik und die Rücknahme der angekündigten Steuererhöhungen. Kritik kommt aber auch aus den Reihen der Sozialistischen Partei, wo prominente Politiker die Ablösung des Premierministers und eine Regierungsumbildung fordern.

Doch von Präsident Hollande weiß man allerdings, dass er es hasst, unter Druck Entscheidungen zu fällen. Mehr als einmal hat der Herr des Élysée-Palastes erklärt, dass er den von ihm als richtig angesehenen Kurs einhalten will - ungeachtet aller Anfeindungen.

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