Migranten unter Generalverdacht

Christian Klemm über ein Register für Flüchtlinge in Europa

  • Lesedauer: 2 Min.

Viel ist in den vergangenen Monaten über die »Festung Europa« berichtet worden. Auslöser waren mehrere gekenterte Boote im Mittelmeer mit hunderten Toten; es handelte sich vorwiegend um afrikanische Flüchtlinge. Doch statt den Weg einer humanen Flüchtlingspolitik einzuschlagen, verstärkt die Europäische Union die Repression gegen Schutzsuchende. Sie will verhindern, dass den Behörden »Illegale« in den Mitgliedsländern durch die Lappen gehen. Und zwar durch ein elektronisches Grenzregister, in dem die Fingerabdrücke aller Ausländer mindestens sechs Monate gespeichert werden, die in den Schengen-Raum einreisen. Die künftige Große Koalition hat das Register in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart. Ob das mit einem liberalen Koalitionspartner möglich gewesen wäre, darf bezweifelt werden.

Bei diesem Projekt werden riesige Mengen an biometrischen Daten erfasst - Vorratsdatenspeicherung im großen Stil. Was mit den Daten passiert und wer darüber verfügen kann, steht in den Sternen. Eine Garantie, dass die Geheimdienste darauf keinen Zugriff haben, wird es vermutlich nicht geben. Schließlich könnte man in einem Afrikaner, der es in die »Festung Europa« geschafft hat, oder in einem Araber, der Verwandte in Deutschland besuchen möchte, einen Schläfer von Al Qaida vermuten. Verstärkte Kontrollen von Menschen mit »ausländischem Aussehen« dürften eine Folge des neuen Registers sein. Migranten stehen damit praktisch unter Generalverdacht.

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