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In irgendwelche Ausbildungen gedrückt

Das Schicksal einiger junger Akademiker aus Spanien weist auf Missstände bei der Arbeitsvermittlung in Thüringen hin

  • Hans-Gerd Öfinger, Suhl
  • Lesedauer: 4 Min.
Eine Gruppe junger Spanier hat es bei der Jobsuche nach Suhl verschlagen. Was als scheinbar seriöse Arbeitsvermittlung begann, wurde aber zu einer nicht enden wollenden Odyssee.

Die Kritik an fragwürdigen Ausbildungs-, Arbeits- und Wohnbedingungen für junge Spanier in Thüringer Gastronomiebetrieben hat jetzt auch ein parlamentarisches Echo gefunden. Am Dienstagnachmittag befasste sich der Wirtschaftsausschuss des Erfurter Landtags auf Antrag der Linksfraktion mit dem Thema.

Aktueller Auslöser der Debatte waren Beschwerden von Betroffenen über die Zustände während ihres Ausbildungsverhältnisses im Suhler Ringberghotel. Die Klagen fanden vergangene Woche erstmals in der Regionalpresse Widerhall und sind seither in der kreisfreien Stadt im Thüringer Wald Tagesgespräch. Gegenüber »nd« bemängelten Betroffene, die anonym bleiben wollen, dass sie im Rahmen der ihnen angebotenen Ausbildungsplätze im Hotel ausbildungsfremde Tätigkeiten, unbezahlte Überstunden und viele Reinigungsarbeiten geleistet hätten. Die jungen Spanier verwiesen auch auf den Abzug überhöhter Kosten durch die Geschäftsführung des Hotels für die Anmietung von Gemeinschaftswohnungen in einem Suhler Vorort. Obwohl sich die tatsächlichen Kosten auf 175 Euro pro Kopf beliefen, würden 250 Euro von der Ausbildungsvergütung einbehalten. Lange sei auch der Transport von der Wohnung zum fernab auf einer bewaldeten Anhöhe gelegenen Hotel ungeklärt geblieben.

Die Gesprächspartner gehören zu einer Gruppe von 128 Spaniern, deren Schicksal bereits im vergangenen Herbst für Schlagzeilen gesorgt hatte. Damals war bekannt geworden, dass die auf der Suche nach einer sicheren beruflichen Zukunft angelockten Arbeitssuchenden unter menschenunwürdigen Bedingungen in einem Massenquartier in Erfurt untergebracht wurden. Um Abhilfe zu schaffen und die Empörung zu dämpfen, hatten sich damals unter Federführung des Thüringer Wirtschaftsministeriums Unternehmerverbände und Betriebe im Freistaat bereit erklärt, die Betroffenen in Arbeits- und Ausbildungsverhältnisse zu übernehmen. Elf von ihnen landeten so im Ringberghotel.

Doch offenbar waren damit die Missstände zwar aus den Schlagzeilen, aber nicht aus der Welt geschafft. So ließen Kommunikation und Kontrolle durch die beteiligten Behörden und Verbände stark zu wünschen übrig. Viele der jungen Spanier fühlten sich mit ihren Nöten alleine gelassen, Sprachbarrieren sorgten für Schwierigkeiten und Verwirrung. »Es scheint so, als ob die unverschuldete Situation der jungen Spanier, anders als vom Wirtschaftsministerium behauptet, noch nicht in Gänze bereinigt ist«, meint auch die Suhler Landtagsabgeordnete Ina Leukefeld (Linkspartei). Offenkundig sei es vor allem darum gegangen, die Menschen »in irgendwelche Ausbildungen zu drücken, anstatt für die teils fertig ausgebildeten und mit akademischen Abschlüssen versehenen Spanier passende Jobs zu suchen«, so die Abgeordnete.

Die jungen Spanier waren im vergangenen Jahr von einer privaten Arbeitsvermittlung angeworben worden. Die Agentur wurde unter dem Namen XJ-ob.de noch im Oktober 2013 in einer Publikation der Industrie- und Handelskammer (IHK) Südthüringen mit dem Titel »Initiativen zur Fachkräftegewinnung« aufgelistet. »Die hat ausdrücklich nicht in unserem Auftrag gehandelt«, erklärte hierzu am Dienstag ein IHK-Sprecher in Suhl auf »nd«-Anfrage. Von XJ-ob.de ist inzwischen nicht einmal eine Briefkastenfirma übrig geblieben. Der offiziell angegebene Telefonanschluss ist abgemeldet, die früheren Internetauftritte wurden vom Netz genommen.

Die Berichte über die Zustände im Ringberghotel haben eine hektische Betriebsamkeit ausgelöst. So besprachen am Montag Vertreter von IHK, Arbeitsagentur und Thüringer Arbeitsministerium in Suhl die Lage. Die Geschäftsführung des Ringberghotels teilte indes mit, dass die Mehrheit der im Hause eingesetzten Spanier mit den Arbeitsbedingungen zufrieden sei. Nach einer Betriebskostenabrechnung werde das zu viel gezahlte Mietgeld zurückerstattet.

Teile der Thüringer Wirtschaft, die über »Fachkräftemangel« klagen, suchen längst auch im fernen Spanien mit seiner extrem hohen Jugendarbeitslosigkeit frische Arbeitskräfte. Dies dürfte aber auch dem niedrigen Lohnniveau im Freistaat und den konkreten Bedingungen in vielen Betrieben geschuldet sein. Viele Thüringer pendeln täglich oder wöchentlich zu einer deutlich besser bezahlten Arbeitsstelle in einem angrenzenden westlichen Bundesland. Längst hat sich auch herumgesprochen, dass sich in der Tourismusbranche in der Schweiz oder Österreich allein in einer Wintersaison mehr verdienen lässt als in der ostdeutschen Heimat über das ganze Jahr.

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