Digitale Flegeljahre sind vorbei

Am Safer Internet Day kündigte Justizminister Maas Gesetzesänderung gegen Datenklau an

  • Uwe Sievers
  • Lesedauer: 3 Min.
Internet-Unternehmen, sollen den Datenschutz ihrer Kunden nicht allzu leicht nehmen, forderte Justizminister Maas. Derweil riefen Netzkritiker am Tag der Internetsicherheit zum »Zurückkämpfen« auf.

»Nehmen sie Ihre Kunden ernst und ermöglichen Sie echte Selbstbestimmung«, mahnte der neue Justizminister Heiko Maas die Internet-Wirtschaft am Dienstag. »Wenn manche Anbieter in den digitalen Flegeljahren verharren, wird der Staat am Schluss regulierend eingreifen müssen«, drohte er Internet-Unternehmen, die den Datenschutz ihrer Kunden allzu leicht nehmen oder deren Daten sogar gleich selbst weiterverkaufen.

Bei der zentralen Veranstaltung zum Safer Internet Day in Berlin zeigte sich, das dieser Tag für Datenschutz und Sicherheit im Netz über die sieben Jahre seines Bestehens ständig an Bedeutung gewonnen hat - insbesondere seit den Enthüllungen Edward Snowdens zur NSA-Überwachung. Der von der Europäischen Union initiierte Aktionstag wird inzwischen weltweit von Regierungen, Wirtschaftsvertretern und Bürgerrechtlern zum Anlass genommen, um mehr Bewusstsein für Datenschutz und Netzsicherheit zu schaffen.

Der deutsche Justizminister Maas knöpfte sich vor allem Unternehmen vor und kündigte eine Änderung des Gesetzes für Unterlassungsklagen an: »Wenn ein Anbieter Kundendaten missbraucht, nehmen nur wenige Menschen die Mühe auf sich, dagegen vorzugehen.« Daher sollen sich zukünftig stellvertretend Verbraucherorganisationen dagegen einsetzen können. Der Justizminister, zu dessen Ressort nun auch der Verbraucherschutz gehört, versprach, bis Ende April einen Gesetzentwurf vorzulegen. Angesichts der aktuellen Problemlage ist das allerdings eher ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Neben der Wirtschaft nahm Maas auch den Einzelnen in die Pflicht. Weil die Gefahren im digitalen Zeitalter sehr groß seien, würden vielen Menschen gleich die gesamte Privatsphäre in Frage stellen und nach dem Prinzip handeln: »Was macht es schon, wenn meine Daten bekannt sind«. Maas warnte: »Diese Einstellung ist naiv und gefährlich«, denn wer keine Privatsphäre mehr habe, müsse fürchten, dass alles was er sage, publik werde und negative Konsequenzen mit sich bringe. Daher empfahl er, besonders im Hinblick auf die freizügige Preisgabe persönlicher Daten in den sozialen Netzwerken: »Erst denken, dann posten«.

Dazu ergänzte die neue Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff: »Die Aussage, man habe nichts zu verbergen ist leichtsinnig und gefährlich.« Sie fragte: »Sind wir in der Lage, die Reichweite unseres Handelns im Netz zu überblicken?« Unternehmen verwendeten nicht ohne Grund viel Zeit und Geld, um möglichst viel über ihre Kunden herauszufinden. Dabei ginge es oftmals um die »hintergründige Erfassung und Auswertung der Datenspuren, die unbemerkt bei jeglicher Aktion im Internet anfallen«, sagte Voßhoff. Aus diesen Daten ließen sich leicht digitale Profile mit enormer Aussagekraft erstellen, die einen Teil unserer Persönlichkeit widerspiegelten. Dritte gewännen dadurch eine Deutungshoheit über einen selbst.

Sowohl Maas als auch Voßhoff warnten, dass ein Verlust der Privatsphäre auch die Demokratie gefährde und erinnerten an das Volkszählungsurteil von 1984, das genau deshalb das Recht auf informationelle Selbstbestimmung hervorhob. Sich bewusst unauffällig zu verhalten, sei keine Lösung, so Voßhoff, denn Unauffälligkeit mache Nutzer besonders interessant, beispielsweise für Überwachungsbehörden.

Ob die Bundesregierung und andere europäische Regierungen glaubhaft sind, wenn sie Bürgern Datenschutztipps gegen staatliche Überwachung geben, bezweifeln Internetaktivisten, die an diesem Tag zum »The Day We Fight Back« aufriefen: dem Tag, an dem wir zurückschlagen. Sie forderten dazu auf, Petitionen zu unterzeichnen und Abgeordnete direkt anzuschreiben, damit diese sich für eine bessere Kontrolle der Geheimdienste einsetzen. Gleichzeitig wurden Webseiten mit schwarzen Bannern als Ausdruck des Protests versehen. Rena Tangens vom Verein Digitalcourage und seit 1987 Datenschutzaktivistin, begrüßte in ihrer Rede US-Präsident Barack Obamas Ankündigung, Kanzlerin Angela Merkels Mobiltelefon nicht mehr abzuhören, aber fragte kritisch: »Aber mit wem will Merkel noch telefonieren, wenn die US-Regierung Anderen nicht das Gleiche zusichert?«

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