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Verspätete Probefahrt

Der neue ICE 3 der Deutschen Bahn ist auf der Schiene - nach einigen Schwierigkeiten

  • Erich Preuß
  • Lesedauer: 4 Min.
Nach vielen Verspätungen konnte die Deutsche Bahn am Dienstag endlich die erste offizielle Probefahrt mit dem neuen ICE 3 starten.

Aufgeräumter wirke er, sagt das Bahnpersonal, und endlich gebe es auch einen Kühlschrank im Führerraum. Keine Lounge mehr, dafür ein übersichtlicher Technikraum. Auch sei der Zug viel leiser geworden, loben Lokomotivführer, und die Druckprobleme bei Begegnungen im Tunnel seien entfallen: Der neue ICE 3, den die Deutsche Bahn (DB) am Dienstag bei einer Probefahrt der Presse vorstellte, stößt beim Personal anscheinend auf Wohlwollen.

Am 17. Dezember 2008 ließen sich Peter Löscher und Hartmut Mehdorn, die damaligen Chefs von Siemens bzw. der DB, nach Vertragsabschluss vor dem Bild des Velaro D, wie er von Siemens genannt wird, fotografieren. Für die DB ist es der ICE 3 M aus der Baureihe 407. Ende 2011 sollte sie die ersten sieben von 16 bestellten Zügen für ihren Hochgeschwindigkeitsverkehr auch nach Frankreich und als Reserve erhalten.

Doch Siemens lieferte nicht pünktlich. Eigentlich ist die Velaro-Familie ein Erfolg, Siemens exportierte von ihr rund 400 Züge. Nur die für den deutschen Auftraggeber wurden zum Sorgenkind. Gründe gab es einige: Wegen geänderter Brandschutz-, Crash- und Zulassungsnormen blieb vom standardisierten Velaro-Konzept wenig übrig. Erwartet wurden optimierte Gepäckablagen, eine neue Wagen- und Sitzaufteilung, neueste Klimatechnik und Bordnetz und ein Notfahrsystem, mit dem die Strecke aus eigener Kraft geräumt werden kann.

2011 gab Siemens an, die in den Fahrzeugen installierte Signaltechnik werde in Frankreich nicht zugelassen. Der Einsatz nach Paris und Marseille rückte in weite Ferne, statt dessen sollten die Velaros in Deutschland als Doppelzüge eingesetzt werden. Im Juni 2012 ließ das Eisenbahn-Bundesamt den Velaro D als Einzelfahrzeug zu, allerdings mit Auflagen, die bis zum 31. Mai 2013 erfüllt sein sollten. Mit der Datensteuerung des Doppelzuges kam Siemens nicht zurecht.

Die Auslieferung bahntauglicher Züge verschob sich so mehrfach. Die Harmonie zwischen der Bahn und Siemens litt. Wer nach dem Einsatz der Züge - etwa nach London - fragte, erfuhr Widersprüchliches. Laut Gerüchten funktionierten bei der sogenannten Doppeltraktion (ein Lokführer steuert zwei gekuppelte Züge) die Bremsen nur verzögert. Billige Software soll die Ursache gewesen sein. Das Eisenbahn-Bundesamt verlangte angeblich Hunderte von Änderungen.

Am 31. Oktober 2012 brach die Bahn einen ersten Übernahmeversuch ab, da die vorgestellten Züge nicht dem Vertrag entsprachen. So erwiesen sich Tür- und Bremssteuerung sowie die Zugbeeinflussung, wie sie bei hohem Tempo notwendig ist, nicht als funktionssicher. Zugelassene Züge, die nur einzeln fahren dürfen, kamen angesichts des Reiseandrangs zwischen Köln und Frankfurt am Main ohnehin nicht in Frage.

Dabei braucht der DB-Fernverkehr dringend eine Verstärkung, er hat aber keine Alternativen zum 407: Andere Hochgeschwindigkeitszüge sind nicht verfügbar oder eignen sich nicht für den deutschen Markt. Die 16 Züge zu stornieren, war unmöglich. Andererseits konnte Siemens dem Großabnehmer seiner Schienenfahrzeuge nicht die kalte Schulter zeigen.

Als Ausgleich für die Verspätungen hatte Siemens der Bahn einen 17. Zug als Dreingabe versprochen. Das reicht der DB jedoch nicht: Sie verhandelt derzeit mit Siemens über weitere Entschädigungen. Der zuständige Siemens-Manager Jürgen Wilder sprach bei der Präsentationsfahrt am Dienstag von Gesprächen zu Kompensationszahlungen, die noch nicht abgeschlossen seien.

Einigermaßen überraschend standen für den Festverkehr zum Jahresende 2013 drei Züge zur Verfügung; Anfang 2014 gab es grünes Licht für die Doppeltraktion. Vier Züge setzt die Bahn zunächst ein, vier weitere sollen bis Ende März geliefert werden. Die übrigen neun werden zur Zulassung für den Verkehr in Belgien und Frankreich benötigt. Wann die Genehmigung für die dortigen Strecken kommt, wollte Wilder nicht vorhersagen. Der Einsatz nach London rückt deshalb und auch wegen der hohen Trassenpreise weiter in die Ferne.

Die Fahrgäste jedenfalls profitieren von der kundenfreundlicheren Innenausstattung des neuen ICE: So sind Wagennummern und -bezeichnungen in Blindenschrift ausgeschildert, die Platznummern viel größer als bisher, es gibt Handgriffe und spezielle Plätze für Rollstuhlfahrer, die mit einem SOS-Knopf ausgestattet sind. Ein Hublift erleichtert das Ein- und Ausfahren von Rollstühlen. Weitere Neuerungen sind die zwölf Plätze im Bordbistro und die Brandmeldeanlage auf dem WC: Heimlich Rauchen ist also nicht mehr möglich.

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