Ost-Moderne - Denkmal oder kann das weg?

Noch immer haben die Diskussionen um die Architektur der DDR eine ideologische Dimension

  • Doris Weilandt
  • Lesedauer: 3 Min.
Die kriegszerstörten Stadtzentren wurden in der DDR als öffentlicher Raum begriffen, der großzügig zu gestalten war. Heute gehören die Areale zu den begehrtesten Flächen und werden maximal überbaut.

Zunächst eine Erkenntnis: Ein Denkmalstatus schützt nicht vor Zerstörung. Dresdens größte Konzerthalle, der im Jahr 1969 eröffnete Kulturpalast, wird gerade umgebaut. 2008 wurde das Gebäude, das der klassischen Moderne verpflichtet ist, als Denkmal unter Schutz gestellt. Architekt war Wolfgang Hänsch, der in Dresden auch den Wiederaufbau der Semperoper verantwortet hat. Während die Oper wegen ihrer im Historismus verhafteten Stilistik unbeschadet und unangefochten die Zeitenwende überstand, war der Kulturpalast immer wieder ins Zentrum der Diskussionen gerückt. Wegen die Umbaupläne, die mit anderen Architekten entwickelt wurden und die tief in die Substanz des Hauses eingreifen, klagte der im vergangenen Jahr verstorbene Hänsch gegen die sächsische Landeshauptstadt.

Es war der bisher einzigartige Versuch, auch für DDR-Architektur eine geistige Urheberschaft einzufordern. Diesen Gedanken vertritt auch die Weimarer Professorin Ines Weizmann, die Architekten bestärken will, ihr Werk vor Gericht zu verteidigen. Die Erbauer ganzer Stadtgebiete sollen nicht weiter tatenlos zusehen, wie ihre Planungen für große Wohngebiete wie Leipzig-Grünau, Halle-Neustadt oder Stadtzentren wie in Suhl durch willkürlichen Abriss entstellt werden. Ist das möglich? In Berlin wurde gerade die Ernst-Thälmann-Siedlung als Beispiel für komplexen Wohnungsbau in die Denkmalliste aufgenommen. Ausschlaggebend dort war die für den Standort entwickelte einmalige Struktur der Hochhäuser und der mit viel Grün gestaltete öffentliche Raum ringsum.

Bereits zum zweiten Mal trafen sich kürzlich Denkmalpfleger, Architekten und Kunsthistoriker an der Weimarer Bauhaus-Universität zum Austausch über den Denkmalwert der modernen Architektur der DDR. Anlass war der Start eines Forschungsprojektes unter dem Titel »Welche Denkmale welcher Moderne?«, mit dem das bauliche Erbe der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in den nächsten drei Jahren untersuchen werden soll. Als abgeschlossenem und stark gefährdeten Bestand kommt der Ost-Moderne eine Schlüsselrolle zu.

Doch was gilt als bewahrenswert? Vielerorts haben die Denkmalschutzämter den Wert der am Internationalen Stil orientierten Architektur erkannt, die in den 1960er und 1970er Jahren prägend war. Während noch vor wenigen Jahren um die Erhaltung vieler Gebäude wie der Mensa im Weimarer Ilmpark oder um die »Blechbüchse« in Leipzig gekämpft werden musste, sind nun einige Denkmalschutzämter um die systematische Erfassung von typischen Gesellschafts- und Wohnbauten bemüht.

Vor allem in Potsdam und Dresden gilt die Moderne mit DDR-Prägung aber immer noch als Störenfried biedermeierlicher Gemütlichkeit. Im Zentrum von Brandenburgs Hauptstadt stehen keine markanten Großbauten auf der Denkmalliste. Das »Haus des Reisens« von 1969 ist bereits abgerissen, das Quartier am Staudenhof kommt demnächst an die Reihe.

In der sächsischen Hauptstadt geht es um die Verdichtung der Prager Straße, die so weit führte, dass das Rundkino, das um seine Wirkung zu entfalten einen separaten Standort braucht, nun von gesichtslosen Bauten förmlich in die Zange genommen wird. Die Prager Straße macht aber vielleicht ein Alleinstellungsmerkmal der Stadtplanung in der DDR deutlich: Die vom Krieg zerstörten Zentren der Städte wurden als öffentlicher Raum begriffen, der großzügig zu gestalten war. Heute gehören diese Innenstadtlagen zu den begehrtesten Grundstücken, die maximal überbaut werden. Im thüringischen Jena ringen Stadtrat und Bürgerinitiativen seit Jahren um eine Lösung zur Gestaltung des Eichplatzes. Geplant ist eine Blockrandbebauung mit Geschäften und Wohnungen, für Grünflächen bleibt wenig Platz. Der Jentower, der die Fläche des Platzes nach Westen begrenzt, war zu seiner Erbauungszeit Stein des Anstoßes wegen des um seinetwillen gesprengten Altstadtareals. Mehrfach hing sein Schicksal nicht nur wegen des beantragten Abrisses am seidenen Faden.

Ein privater Investor rettete das von Hermann Henselmann als Forschungshochhaus für das Kombinat VEB Carl Zeiss entworfene Gebäude, das 1972 eingeweiht wurde. Er wird heute - mehr noch als zu DDR-Zeiten und ohne Schutzstatus - von den Einwohnern Jenas als Wahrzeichen der Stadt angenommen.

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