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Wenn die Nachfrageschwäche chronisch ist

Einseitiges deutsches Wirtschaftsmodell beschert den auf den Inlandskonsum fokussierten Branchen Probleme

  • Nicolai Hagedorn
  • Lesedauer: 3 Min.
Die deutsche Nachfrageschwäche hat sich in letzter Zeit weiter verfestigt. Unternehmen, die von Massenkonsum abhängig sind, geraten in Probleme.

Selbst das Geschäft mit Tütensuppen, Würzmischungen und Fertiggerichten ist nicht mehr krisensicher: Der Lebensmittelhersteller Zamek meldete wegen drohender Zahlungsunfähigkeit am Dienstag Insolvenz an. Der 1932 gegründete Familienbetrieb, der mit rund 520 Beschäftigten in Düsseldorf und Dresden produziert, hatte im Geschäftsjahr 2012/2013 sinkende Umsätze und einen Verlust von über zehn Millionen Euro ausgewiesen. Mehrheitsgesellschafter Bernhard Zamek hatte deshalb bereits im Oktober 2013 »drastische Einsparmaßnahmen« und den Abbau weiterer 85 Stellen angekündigt. Außerdem wollte das Unternehmen einen Teil der Produktion nach Polen verlagern, um Kosten einzusparen.

Seit Jahren zeigen sich die Auswirkungen der Reallohnrückgänge in Deutschland vor allem in einem Einzelhandelssterben. Derzeit kämpfen große Firmen wie Karstadt, der Textilhändler NKD, die Warenhauskette Strauss und der Weltbild-Verlag ums Überleben. Erst vor wenigen Tagen teilte das Modelabel Strenesse mit, in Zahlungsschwierigkeiten geraten zu sein. Mit der Neckermann AG meldete Mitte 2012 sogar ein einstiger Branchenriese Insolvenz an, fast zeitgleich machten die Drogeriekette Schlecker und das Baumarkt-Unternehmen Praktiker dicht. Am Dienstag wurde der Ausverkauf in den Filialen von Max Bahr beendet. Praktiker hatte das operative Geschäft dieser Baumarktkette übernommen, um mit einer Zwei-Marken-Strategie »Schnäppchenjäger und anspruchsvolle Kunden« bedienen zu können. »Wachstum findet, wenn überhaupt, nur noch an den Polen statt«, erklärte der damalige Praktiker-Chef Wolfgang Werner und verwies damit indirekt auf die größer werdenden Einkommensunterschiede. Letztlich riss der Billiganbieter Praktiker die gehobenen Max-Bahr-Geschäfte mit in die Insolvenz.

Schlussquartal 2013

Leichtes Wachstum - vor allem wegen der Exporte

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) hat von Oktober bis Dezember 2013 - preis-, saison- und kalenderbereinigt - um lediglich 0,4 Prozent zugenommen. Dies teilte das Statistische Bundesamt am Dienstag in Wiesbaden mit. Auf Jahressicht betrug das BIP-Plus damit 1,3 Prozent. Auch im vierten Quartal kamen die Wachstumsimpulse vor allem vom Export. Preisbereinigt wurden 4,1 Prozent mehr Waren und Dienstleistungen ausgeführt als vor einem Jahr, während die Importe um 2,7 Prozent zulegten. Das gestiegene Außenhandelsplus bescherte dem BIP einen Wachstumsbeitrag von 0,9 Prozentpunkten.

Binnenwirtschaftlich gab es laut dem Bundesamt »gemischte Signale«. Während die Ausrüstungsinvestitionen der Unternehmen gegenüber dem Vorquartal um 1,4 Prozent zulegten, gab es gleichzeitig einen kräftigen Vorratsabbau, der das Wachstum bremste. Keine Impulse kamen vom Konsum: Bei den privaten Konsumausgaben gab es ein leichtes Minus von 0,1 Prozent, die staatlichen Ausgaben blieben unverändert. Für das Gesamtjahr errechneten die Statistiker einen Finanzierungsüberschuss des Staates von rund 0,3 Milliarden Euro. Gemessen am BIP gab es einen minimalen Haushaltsüberschuss bei Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialkassen.

Positive Wachstumssignale kamen vom Arbeitsmarkt: Die Zahlen der Erwerbstätigen stiegen zum Vorjahr um 243 000 Personen bzw. 0,6 Prozent an. Die gesamtwirtschaftliche Arbeitsproduktivität, gemessen als preisbereinigtes BIP je Erwerbstätigen, erhöhte sich im vierten Quartal 2013 gegenüber dem vierten Quartal 2012 um 0,7 Prozent.

Das anhaltende Wachstum der Beschäftigung war ein Grund dafür, dass das Produzierende Gewerbe nach längerer Flaute wieder zulegte. So erreichte die Baubranche im Schlussquartal ein Plus zum Vorjahr von 4,6 Prozent, die anderen Industriesektoren von 2,6 Prozent. Der Dienstleistungsbereich erreichte ebenfalls ein deutliches Plus von 2,0 Prozent.

Trotz einzelner positiver Zahlen bestätigen aber auch die Bundesstatistiker die mit der anhaltenden Krise verbundene wirtschaftliche Wachstumsschwäche. Die Regierung prognostiziert für 2014 dank erneuten Jobbooms und anziehender Investitionen ein Wirtschaftswachstum von 1,8 Prozent. Auf Grund der Investitions-, Lohn- und Arbeitsmarktschwäche bleibt jedoch fraglich, ob dies erreichbar ist. Hans-Georg Draheim

 

Während der Präsident der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, verkündet, er sehe für die Eurozone »einen Aufschwung, der auch zaghaft beim Konsum greift«, zeigte sich im Weihnachtsgeschäft des deutschen Einzelhandels ein gegenteiliges Bild: Die Einzelhandelsumsätze sanken im Dezember 2013 um spürbare 2,4 Prozent zum Vorjahresmonat. Damit verfestigt sich ein Negativtrend: Im Einzelhandel liegen die Umsätze konstant unterhalb der Zahlen von 1994, mit weiter fallender Tendenz.

Das Gastgewerbe ist ebenfalls vom Nachfragerückgang betroffen: Die Umsätze von Gaststätten und Hotels sanken um 3,4 Prozent im Vergleich zum Dezember 2012 und im Gesamtjahr 2013 um 1,1 Prozent.

Auch in anderen konsumabhängigen Branchen werden die sinkenden Masseneinkommen zum Problem. So ist zwischen den Billigfluganbietern ein Preiskampf entflammt, der zuletzt Ryanair tief in die Verlustzone zwang: Der Branchenprimus bot eigenen Angaben zufolge im Oktober und November auf 400 Verbindungen Preise von 14,99 Euro an und verlangte im Jahr 2013 durchschnittlich nur rund 48 Euro pro Flugticket. Dies führte zwar zu steigenden Passagierzahlen, aber auch zu einem Verlust von 35 Millionen Euro im Schlussquartal.

Längst leiden Kleinflughäfen unter dem Rückzug der Billigfluganbieter. 2013 sind die Passagierzahlen in Münster/Osnabrück um 23 Prozent eingebrochen, in Kassel-Calden ist man an vielen Tagen froh, wenn überhaupt ein Flugzeug auf dem aus öffentlichen Mitteln finanzierten 270-Millionen-Airport startet oder landet.

Die vergleichsweise niedrigen Lohnkosten in Deutschland führen zwar zu einer enormen Wettbewerbsfähigkeit der hiesigen Unternehmen, die immer neue Exportrekorde aufstellen. Bei den Arbeitnehmern und damit im Massenkonsum kommt von den Gewinnen aber kaum etwas an. Trotz niedriger Inflationsrate von 1,5 Prozent im Jahr 2013 stiegen die Preise schneller als die Löhne. Laut den Bundesstatistikern liegen die deutschen Löhne preisbereinigt unter dem Niveau von 1992.

Kein Wunder, dass der Binnenkonsum weiter Schwäche zeigt und der Einzelhandel im Gesamtjahr 2013 das schwächste Umsatzwachstum seit dem Rezessionsjahr 2009 verzeichnete. Damit wird das einseitige deutsche Wirtschaftsmodell zunehmend auch ein Problem für das auf den Inlandsmarkt konzentrierte Kapital.

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