Petrys Truppe stört das »Yeah, yeah, yeah«

Das Wahlprogramm der »Alternative für Deutschland« in Sachsen setzt auf Populismus und Ressentiments

  • Hendrik Lasch, Zwickau
  • Lesedauer: 4 Min.
Nach 6,9 Prozent Stimmenanteil in Sachsen bei der Bundestagswahl drängt die AfD im Freistaat nun auch in den Landtag. Um Wählerstimmen wirbt sie mit viel Populismus.

Es geht bergab mit Deutschland. Wie düster die Lage ist, zeigt sich bei Familiengeburtstagen, wenn Kinder ein Ständchen anstimmen. Meist singen sie dann dieser Tage nicht mehr »Zum Geburtstag viel Glück«, sondern intonieren das fremdsprachige »Happy Birthday«. Ein Unding, findet Frauke Petry, Landeschefin der »Alternative für Deutschland« (AfD) in Sachsen. »Mit läuft es dann kalt den Rücken hinunter«, sagt die 38-Jährige und fragt in den Saal des Klubhauses Sachsenring in Zwickau: »Ihnen nicht?«

Offenbar fröstelte es bei dem Gedanken auch viele der rund 100 Parteifreunde, die vor Tischen mit Kerzen und in Alufolie gehüllten Töpfen mit Stiefmütterchen sitzen. Sie wollen das Wahlprogramm für die sächsische Landtagswahl am 31. August beraten. Im 40-seitigen Entwurf findet sich zwar keine Regelung zum Sprachgebrauch bei Familienfeiern. Dass aber eine Abneigung gegen das Englische in der Partei verbreitet ist, zeigt sich an anderer Stelle. Der »Staat Sachsen«, heißt es, solle Richtlinien erlassen, damit Musik mit englischen Texten im Radio »nicht überhand nehme«. Die dürfe im Rundfunk quasi nicht mehr gespielt werden; wer sie höre, sei »fast Opposition im eigenen Land«, sagt Petry: »So weit ist es gekommen!« Später einigt man sich darauf, dass »parlamentarische Vertreter« in Rundfunkräten auf mehr deutsche Texte im öffentlich-rechtlichen Radio drängen sollen. Die Debatte erinnert auffällig an Walter Ulbrichts 1965 geäußertes Verdikt gegen die »Monotonie des Yeah, yeah, yeah«.

Das Plädoyer für eine Deutschpopquote mag putzig wirken; für das Programm der AfD handelt es sich indes um eine zentrale Frage. Die Partei, die bei der Bundestagswahl gegen den Euro zu Felde zog und so in Sachsen ihr bundesweites Rekordergebnis von 6,9 Prozent einfuhr, setzt diesmal auf Integration, Einwanderung – und auf Identität, die sich auch dank Liedtexten ausprägen soll. Zwar wurde die Abfolge der Themen noch korrigiert, »aus taktischen Gründen«, wie Vorstand Hubertus von Below freimütig einräumt. Es sieht unverfänglicher aus, wenn der Wähler erst Thesen zur Bildung liest oder ein Familienwahlrecht gefordert wird. Doch »wenn wir Stimmen holen wollen, müssen wir auf die kantigen Themen setzen«, sagt ein Delegierter aus Leipzig unverblümt. Und die finden sich eher bei Themenfeldern wie »Bevölkerungspolitik« oder Identität.

Gefordert wird daher, dass die Nationalhymne »wie in den USA« bei öffentlichen Anlässen gesungen wird, in der Schule die »Nationalsymbole« erklärt werden und im Fach Geschichte eine »Umgewichtung« stattfindet: Die maßgeblichen Daten lauten demnach 1813, 1848 und 1871. Interessant ist, welche Daten im 20. Jahrhundert in den Hintergrund treten.

Das Papier zeigt zudem, dass die AfD nicht nur dem Englischen, sondern überhaupt dem Fremden reserviert bis ablehnend gegenübersteht. Einwanderung will die Partei nur zulassen, sofern man sich nach kanadischem Vorbild »die qualifizierten Einwanderer aussuchen« könne, wie der Vorstand und Islamwissenschaftler Hans-Thomas Tillschneider sagt. Ansonsten werden in Zwickau Maßnahmen gefordert, wie »Ungleichbehandlung« deutscher Alg-II-Bezieher gegenüber Migranten verhindert und angebliche »Berliner Verhältnisse« im Freistaat vermieden werden können. Kampagnen für Weltoffenheit lehnt die Partei ebenso ab wie vermeintliche »Sprechverbote«, mit denen eine »Gleichstellungsideologie« befördert werden solle. Auch die Forderung nach Volksabstimmungen beim Bau von Moscheen mit Minaretten, von einem Anwesenden »purer Populismus« genannt, bleibt im Programm.

Um welche Wähler die Partei mit diesem Programm wirbt, ist deutlich: Neben Protestwählern dürfte sich eine konservative und von ihrer Partei enttäuschte CDU-Klientel ebenso angesprochen fühlen wie Wähler, die eine Alternative zur NPD suchen. Deren auch am Wochenende beschlossenes Programm weist auffällige Parallelen zu einigen AfD-Thesen auf: Die Forderung für ein »Minarettverbot nach Schweizer Vorbild« findet sich bei der NPD ebenso wie die nach »Deutsch als vorrangiger Sprache« und Vermeidung von Anglizismen.

Abzuwarten bleibt, wie erfolgreich die AfD in beiden Sphären wildern kann. Petry hofft auf ein Ergebnis im oberen einstelligen Bereich. Unrealistisch ist das nicht – auch oder gerade, weil »das Versteckspiel vorbei ist«, wie Grüne-Landeschefin Claudia Maicher anmerkt: Die AfD verberge ihren »intoleranten Geist« nicht mehr. Sie habe »ihre Maske abgenommen«.

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