RWE jammert auf hohem Niveau

Milliardenabschreibungen bescherten dem Energieriesen 2013 Bilanzverluste - das Geschäft bleibt profitabel

RWE, der zweitgrößte deutsche Stromkonzern, macht Verluste - und schiebt der Energiewende die Schuld in die Schuhe.

Es war gestern gewiss kein einfacher Tag für RWE-Chef Peter Terium. Erst musste er der versammelten Medienwelt erläutern, warum der Energiekonzern das Geschäftsjahr 2013 mit tiefroten Zahlen abgeschlossen hat. Am Nachmittag versuchte er dann noch bei einer Telefonkonferenz, besorgte Investoren und Analysten ruhiger zu stimmen. Teriums Botschaft lautete: »Deutschland will die Energiewende. Und für die Energiewende braucht es RWE.«

Vor allem in den Ohren von Umweltschützern, die RWE längst zum »Energie-Dinosaurier« erklärt haben, klingt dies wie blanker Hohn. »Die Essener verschliefen schlicht den Erfolg der erneuerbaren Energien«, meint Gerald Neubauer von Greenpeace. »Anstatt in den Wachstumsmarkt einzusteigen, steckten sie immer neue Milliarden in fossile Kraftwerke und sitzen heute auf ihren unrentablen Überkapazitäten.«

Auch RWE selbst kann die Situation nicht länger verschleiern. Für das Geschäftsjahr 2013 hat der Konzern Wertberichtigungen vor allem auf den Kraftwerkspark im Umfang von 4,8 Milliarden Euro verbucht. Unter dem Strich stand ein Verlust von 2,8 Milliarden Euro - bei leicht gestiegenem Umsatz von 54,1 Milliarden Euro. Das operative Geschäft des breit aufgestellten Konzerns, der nicht nur Strom erzeugt, sondern diesen auch vertreibt, durch eigene Netze transportiert und mit ihm handelt, ist dennoch weiter profitabel: So lag das betriebliche Ergebnis bei 5,9 Milliarden Euro, ein Rückgang um acht Prozent gegenüber 2012. Massive Kostensenkungen spülten eine Milliarde Euro in die Kasse - zu Lasten der Mitarbeiter, deren Zahl um 3900 auf gut 66 000 sank. Und den Aktionären wird trotz der Bilanzverluste eine, wenngleich halbierte, Dividende gezahlt.

Die massiven Abschreibungen zeigen an, dass der Wert der Kraftwerke betriebswirtschaftlich gesunken ist - sprich, dass sie künftig weniger rentabel zu betreiben sind. Anlagen mit rund 5000 Megawatt Leistung werden stillgelegt. Was RWE freilich nicht an die große Glocke hängt: Deutschland ist praktisch nicht betroffen. Die Wertberichtigungen beziehen sich vor allem auf Steinkohlekraftwerke in Großbritannien - alte Dreckschleudern, die teuer nachgerüstet werden müssten, um eine weitere emissionsrechtliche Betriebsgenehmigung erhalten zu können. Deshalb legt RWE diese lieber still. Ebenfalls große Abschreibungen gibt es in den Niederlanden. Hier hat man einige teils hochmoderne Gaskraftwerke eingemottet, deren Rentabilität darunter leidet, dass der Brennstoff erheblich teurer ist als etwa Steinkohle. Und RWE springt selbst in die Bresche: Zu Jahresbeginn hat man in Eemshaven in der Provinz Groningen ein neues 1600-Megawatt-Steinkohlekraftwerk eröffnet, das jährlich Strom für 3,2 Millionen Haushalte erzeugen soll.

Gerade in Deutschland laufen die Geschäfte selbst in der konventionellen Stromerzeugung weiter gut. Stein- und Braunkohle, bei denen RWE traditionell besonders stark ist, verzeichnen trotz ihrer Klimaschädlichkeit steigende Marktanteile. Insgesamt gibt es bei RWE also Jammern auf hohem Niveau. Dass der Konzern explizit darauf hinweist, dass RWE »erstmals seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland, also seit mehr als 60 Jahren«, einen Nettoverlust geschrieben hat, dürfte politische Gründe haben. Man macht Druck: Da der starke Ausbau der Erneuerbaren die Großhandelspreise für Strom und damit die Gewinnmargen sinken ließ, soll die Energiewende zumindest abgebremst werden. Außerdem fordert Konzernchef Terium einen »Kapazitätsmarkt«: Kraftwerksbetreiber sollen zusätzlich zum Marktpreis für verkauften Strom Geld dafür erhalten, dass sie Kraftwerke bereithalten, wenn der Wind kaum weht und die Sonne nicht scheint. Auch darüber wird regierungsoffiziell debattiert.

Dabei hat RWE hierzulande vor allem große Kohlekraftwerke, die sich nicht flexibel hoch- und herunterfahren lassen und damit als Reservekapazität ungeeignet sind. Nicht nur Umweltschützer dürften es daher als Drohung empfinden, wenn Terium sagt: »Deutschland braucht unsere Kraftwerke dauerhaft.«

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