Zwischen allen Stühlen

Die jungsozialistische Bewegung im Spiegel ihrer programmatischen Dokumente

  • Heinz Niemann
  • Lesedauer: 3 Min.

»Die jungsozialistische Bewegung umfasst die geistig lebendigste und politisch tätigste Jugend in der Sozialdemokratischen Partei.« Mit diesem Satz leiten die Herausgeber ihren Dokumentenband zur Geschichte der Jungsozialisten durchaus zutreffend ein. Dem müsste man leider den Nebensatz anfügen: »und zugleich die erfolgloseste.« Sieht man allerdings davon ab, dass etliche ihrer Vorsitzenden persönlich eine sehr erfolgreiche Politikerkarriere in der zuvor meist mehr oder minder heftig kritisierten Mutterpartei absolvierten.

Diese Ergänzung soll in keiner Weise das Verdienst der Herausgeber schmälern, diesen informativen Dokumentenband herausgegeben zu haben. Er leistet einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur Geschichte der sozialdemokratischen Partei und liest sich heute noch mit aktuellem Gewinn.

Die Publikation ist dreigegliedert. Im ersten Abschnitt wird über die Jungsozialisten in der Weimarer Republik, von deren Gründung 1919 bis 1931, berichtet. Der zweite Abschnitt befasst sich mit den Jungsozialisten in der Nachkriegszeit bis Ende der 1970er Jahre. Sodann werden die Aktivitäten und Diskussionen der Jungsozialisten von den 1980er Jahren bis in die Gegenwart reflektiert.

Wesentliche Dokumente, sowohl Reden wie auch Beschlüsse, sind hier nicht nur abgedruckt, sondern sachkundig eingeleitet und kommentiert. Dem interessierten Leser wird somit ermöglicht, sich ein im Großen und Ganzen treffendes Bild von den jungen Sozialisten zu machen, ihre Anschauungen, Motive und Kontroversen kennenzulernen. Natürlich bleiben, wie bei jeder Quellenedition, Wünsche offen, insbesondere was die konsequent auf etwa 20 Seiten begrenzte Einleitungen betrifft. Den Rezensenten beschlich bei der Lektüre mitunter das Gefühl, über eine Reihe brisanter Konflikte innerhalb der Jungsozialisten wie mit der Mutterpartei sei zu lapidar hinweggegangen. Ein Problem bleibt leider fast gänzlich ausgeblendet - und zwar die äußerst ambivalenten Wirkungen und Wechselbeziehungen zwischen den sich als marxistisch verstehenden radikal-sozialistischen Kräften und der DKP sowie SED. Das wäre insofern von großem Interesse, da alle damaligen Hemmnisse seit mehr als 20 Jahren nicht mehr bestehen und eine völlig neue Basis für Bündnisse gegeben ist. In diesem Zusammenhang vermisst man die ebenso umfänglichen wie radikalen Thesen des Bundeskongresses der Jusos von 2012. Und generell wird jeder aufmerksame Zeitzeuge die Existenz einer »geistig lebendigen und politisch tätigen« Strömung in der Partei vermissen, die sich bis heute nicht eindeutig und öffentlich mit der neoliberalen Wendung der SPD unter Kanzler Gerhard Schröder auseinandergesetzt hat, einem ehemals »linken« Juso-Vorsitzenden.

Thilo Scholle/ Jan Schwarz/ Ridvan Cifti (Hg.): Zwischen Reformismus und Radikalismus. Jungsozialistische Programmatik in Dokumenten. J.H.W. Dietz Nachf. 319 S., geb., 19,90 €.

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