Meisterlicher Thiago
Der spanische Mittelfeldspieler des FC Bayern München ist im System von Trainer Pep Guardiola unersetzlich
Groß war die Angst im Sommer. Angeführt vom Fachmagazin »kicker« fürchtete fast ganz Fußballdeutschland um seinen FC Bayern München, den stolzen Triple-Sieger mit seinen großen Spielern. Man dürfe beim besten Team der Welt doch nichts groß verändern. Diese Skepsis galt dem neuen Trainer Pep Guardiola, fiel aufgrund seiner einzigartigen Erfolge mit dem FC Barcelona aber etwas zurückhaltender aus. Im Gegensatz zu Thiago Alcántara. Wozu bräuchte der Champions-League-Sieger einen Ersatzspieler von Barca? Wir haben doch Schweinsteiger, Ribéry, Robben ...
Neun Monate später beklagt fast ganz Fußballdeutschland die Langeweile. Der Meister steht fest: FC Bayern. Und wenn sich Thiago Anfang August nicht verletzt hätte, würden die Münchner in der Bundesliga vielleicht gar eine gänzlich weiße Weste tragen. Zwei Mal gab der FC Bayern bis zum 27. Spieltag Punkte ab, doch weder beim 1:1 in Freiburg noch beim 1:1 in Leverkusen stand Thiago auf dem Platz.
Die 1. Bundesliga startet zwar erst in drei Wochen in die neue Saison, Gesprächsthema Nummer eins ist sie aber dennoch. Hauptsächlich liegt das am FC Bayern München, der gerade die Last des Erfolgs zu spüren bekommt.
Im Januar 2013 wurde verkündet, dass Pep Guardiola ab Juli 2013 die Münchner übernehmen wird. Der Jubel, den besten Trainer verpflichtet zu haben, kannte keine Grenzen. Selbst die Konkurrenz klatschte Beifall zu diesem Transfercoup, die Presse überschlug sich in ihrer Vorfreude. Keine zwei Monate ist es her, dass der FC Bayern das Triple aus Meisterschaft, Champions League und DFB-Pokal feierte. Wieder grenzenloser Jubel, nur die Konkurrenten hielten sich diesmal zurück.
Und nun? Münchens Gegner reiben sich ob solch hysterischer Fragen wie »Macht Guardiola die Bayern kaputt?« feixend die Hände. Kritisiert wird, das Guardiola tatsächlich versucht, dem besten Team Europas plötzlich neue, eigene Vorstellungen vom Fußball nahezubringen. Der »kicker« moniert beleidigt, dass selbst das anerkannteste Fachblatt noch völlig im Unklaren gelassen wird, »in welcher Formation« der FC Bayern im ersten Pflichtspiel auflaufen wird. Und wozu braucht man Thiago vom FC Barcelona? Wir haben doch Ribery, Robben, Schweinsteiger & Co.
Gut so, Pep! Besitzstandswahrung funktioniert im Fußball nicht auf Dauer. Neue Impulse und Reize sind im Moment des Erfolgs ein wichtiges Mittel, um satte Profis wieder hungrig und konzentriert zu machen. Und mit Thiago hat Guardiola einen Spieler, der seine Philosophie sofort auf den Platz bringen kann und somit dem ganzen Team hilft. Wie bei seinem beachtlichen Debüt beim 4:0 am Samstag gegen den HSV.
Seinen ersten Auftritt nach dem Bänderriss im rechten Sprunggelenk hatte Thiago im November. Im Spitzenspiel bei Borussia Dortmund stand es zur Halbzeit 0:0; Thiago wurde eingewechselt, übernahm die Kontrolle im Mittelfeld - der FC Bayern gewann überlegen 3:0. 8. März 2014: Die Münchner haben beim VfL Wolfsburg arge Probleme. Es steht 1:1 als Thiago in der 57. Minute ins Spiel kommt. Fortan brilliert der FC Bayern und gewinnt 6:1.
Ein Schuss, ein Tor, ein Titel. Im Finale der Klub-Weltmeisterschaft im Dezember gegen Raja Casablanca erzielt Thiago den 2:0-Endstand. Mit seinem ersten Treffer im Trikot der Münchner sorgt er für die erste Trophäe dieser Saison. Es ist nicht die letzte. Großen Anteil daran hat natürlich auch Pep Guardiola. Aber der Trainer hatte nicht umsonst darauf bestanden, Thiago aus Barcelona nach München zu holen.
Die 25 Millionen Euro für den 22-Jährigen waren eine kluge Investition. Er ist ein meisterlicher Taktgeber im Münchner Mittelfeld, spielt kaum Fehlpässe, bereitet Tore vor und besticht als eleganter Zweikämpfer. Genauso unersetzlich wie in den Spielen ist Thiago für Guardiola auch in jeder Übungseinheit. Während der Trainer nur erklären und von außen Einfluss nehmen kann, trägt Thiago Guardiolas Philosophie auf den Platz.
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