Deutsches Kapital kritisiert Umgang mit Russland

Konzernvertreter halten Eskalation »im Vorhof einer anderen Großmacht« nicht für überraschend / Investitionen zurückgestellt oder aufgegeben

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Berlin. Führende deutsche Konzernvertreter haben den Umgang mit Russland in der Krim-Krise kritisiert. Adidas-Chef Herbert Hainer sagte der »Welt«, es sei abzusehen gewesen, dass Putin sich nicht einfach bieten lasse, was in der Ukraine geschehe: »Man hätte früher in Kontakt mit Putin treten sollen, um den Umsturz in der Ukraine gemeinsam zu begleiten.« Der Vorstandsvorsitzende der Post, Frank Appel, sagte dem Blatt, die Eskalation sei nicht überraschend, wenn man sich die vergangenen zwei Jahre ansehe: »Man sollte vielleicht früher bedenken, was das Ergebnis ist, wenn man im Vorhof einer anderen Großmacht von außen für politische Veränderungen sorgt.«

Die Krim-Krise schlägt nach Experten-Einschätzung inzwischen auf das Geschäft deutscher Unternehmen in Russland durch. »Viele deutsche Firmen, die noch im vergangenen Jahr in Russland investieren oder eigene Produktionsstätten errichten wollten, haben diese Pläne jetzt aufgegeben oder zurückgestellt«, sagte Bernd Hones aus dem Moskauer Büro von Germany Trade & Invest, der bundeseigenen Gesellschaft für Außenwirtschaft und Standortmarketing, der »Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung«. Vorsicht im Russland-Geschäft sei deshalb »das Gebot der Stunde«. Deutsche Kapitalisten in Russland hätten heute den Eindruck, dass russische Industriekonzerne es »für politisch angebracht halten, nicht mit deutschen Firmen Geschäfte zu machen«, berichtete Hones.

Der Vorsitzende des deutschen Ost-Ausschusses, Eckard Cordes, warnte, Russland könne sich nach China orientieren, wenn sich Europa abwende. »Russland würde sich, wenn Europa seine Energieimporte einschränkt, neue Absatzmärkte in China suchen«, sagte er der Zeitung. Daran könne Europa kein Interesse haben. China werde ohnehin »der Gewinner der gegenwärtigen Krise zwischen EU und Russland sein«, meinte Cordes. Andere Fachleute halten zumindest die Folgen der Krise für die deutschen Exporteure für beherrschbar - vor allem mit Blick auf mögliche harte Handelssanktionen gegen Russland. So kommt eine Studie des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel, die der »Welt am Sonntag« vorliegt, zu dem Ergebnis, dass nur wenige kleine Branchen stark unter einem Stopp der Handelsbeziehungen mit Russland leiden würden. Beispiele seien Ausfuhren tierischer Fette und Öle. Auch Hersteller von Ölsaaten oder Sanitäranlagen gehörten dazu.

Der Vizefraktionschef der Union im Bundestag, Michael Fuchs, hält direkte wirtschaftliche Strafmaßnahmen gegen Russland nicht für das passende Mittel, um Präsident Wladimir Putin zu beeindrucken. Vielmehr müsse sich Deutschland unabhängig von russischer Energie machen, sagte Fuchs im »Südwestrundfunk«: »Wenn der Gasverbrauch in Deutschland sinkt, bedeutet das für die Russen, dass sie deutlich weniger Einnahmen haben. Und das ist das, was sie viel mehr trifft.«

Die Krim-Krise setzt Russland auch an den Finanzmärkten immer stärker unter Druck. Nach Standard & Poor's und Fitch prüft nun auch die dritte große Ratingagentur Moody's eine Herabstufung der Kreditwürdigkeit des Landes. Der Ukraine-Konflikt und die damit verbundenen Unsicherheiten schwächten das ohnehin schon angeschlagene Investitionsklima und die mittelfristigen Aussichten der Wirtschaft. dpa/nd

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