Kein Ende der misslichen Lage

Die Leo-Borchard Musikschule nimmt vorerst keine neuen Schüler mehr auf

  • Guido Speckmann
  • Lesedauer: 2 Min.
2013 wurde gegen den Willen der Musiklehrer vom Senat eine Verringerung ihrer Honorare durchgesetzt. Nicht nur darunter leiden die Berliner Musikschulen noch immer.

Für die rund 1720 Berliner Honorar-Musikschullehrer ist kein Ende ihrer misslichen Lage in Sicht. Am Freitag letzter Woche wurde bekannt, dass nicht nur Berlins, sondern Deutschlands größte Musikschule, die Leo-Borchard Musikschule in Steglitz-Zehlendorf, von Mitte April bis September keine Neuanmeldungen mehr annimmt. Der Grund: eine erhebliche Überlastung in der Verwaltung infolge der Einführung einer neuen Software. Dabei bleibt es nicht: Im März und Anfang April fielen die Sprechstunden der Verwaltung aus, weil, wie es auf der Homepage heißt, »im Verwaltungsbereich einen großen Arbeitsrückstand aufzuarbeiten gilt«. Dieser sei durch einen zusätzlichen Verwaltungsaufwand durch neue Vorschriften, fehlende Fachsoftware und einen markanten Personalrückgang entstanden. Weiterhin wurde sowohl die jährlichen »Klangmeile« als auch das Sommerfest auf Anordnung des Bezirksamtes abgesagt. Vermutlich als Folge der Überlastung der Mitarbeiter.

Die Musikschule in Steglitz-Zehlendorf ist kein Einzelfall. Alle Berliner Musikschulen haben mit gravierenden Missständen zu kämpfen. So muss in Pankow der Musikschulleiter sieben Tage im Monat bei der Abrechnung aushelfen, in der Musikschule City West gibt es ein Aufnahmestopp für neue Schüler und in Friedrichshain-Kreuzberg und Reinickendorf gibt es dieses Jahr keinen Tag der Offenen Tür. Die Musikschullehrer sind von der aktuellen Senatspolitik besonders betroffen.

Der Senat hatte im vergangenen Jahr die auf Honorarbasis arbeitenden Lehrer zur Akzeptanz einer neuen Honorarverordnung gezwungen. Wer nicht bis Ende September seinen Namen unter die Vereinbarung setzte, dem wurde gekündigt. Angesichts des drohenden weiteren Absturzes in die Prekarität willigten die meisten Musikschullehrer in die Verschlechterung ihrer Arbeitsbedingungen ein. In Steglitz-Zehlendorf wurde jedoch auch 27 von rund 300 Lehrern gekündigt.

Zur Erinnerung: 95 Prozent der Berliner Musikschullehrer arbeiten auf Honorarbasis und erzielen ein Durchschnittsverdienst von lediglich rund 11 500 Euro im Jahr. Zudem kommen sie nicht in den Genuss einer vollständigen Honorarfortzahlung bzw. gar keiner, eines Mutterschutzes oder eines Kündigungsschutzes. Die Altersarmut ist für die hochausgebildeten Musiker damit vorprogrammiert.

Mit der neuen Honorarordnung geht ein weiterer Einkommensverlust in Höhe von 3,2 Prozent einher. Zudem wurde eine Einzelstundenabrechnung eingeführt, über die der Diplommusiklehrer Dirk Strakhof sagt: »Diese geht an die Substanz der Verwaltung und macht sie zur Zeit handlungsunfähig.« Und wenn jetzt, wie an der Leo-Borchard Musikschule, keine neue Schüler angemeldet werden können, droht den Musikschullehrern noch ein weiterer Honorarausfall, wenn Schüler abgemeldet werden.

www.berlinermusikschullehrer.de

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